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Schlemmen in Hirschbach - "Zum Goldenen Hirsch"

Samstagabend, der 27.01.2017. Nachdem die letzten Wochen für uns Beide arbeitstechnisch recht stressig waren, war dies der erste Samstag, der nur uns gehört hat.

Auf dem Heimweg - zwischenzeitlich ging es mit 50 km/h und weniger über die A73 - hatten wir dann ordentlich Hunger. Kurzer Einwurf... Sichtweiten teilweise unter 50 Meter, feuchte, dunkle Straßen, die das Scheinwerferlicht verschlucken. Und dann brechen LKW und voll besetzte Reisebusse an uns vorbei. Wenn die Fahrer nicht über Nachtsichtgeräte verfügen, dann wundern mich die schweren Unfälle mit Verletzten und Toten nicht. Unverantwortlich.

Zurück zum "Hirschen".

An der alten Straße von Suhl nach Coburg gelegen, hat dieses Hotel mit Restaurant schon seit der Grenzöffnung meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Backstein, Fachwerk, immer schön gepflegt. Bis es dann irgendwann geschlossen war. Wie ich in der Chronik gelesen habe, wurde 2008 von den alten Inhabern eine Insolvenz angemeldet und seit 2010 steht das Anwesen unter neuer Leitung.

Auf Autobahn fahrend hatten wir nach einem Zwischenhalt in Zella-Mehlis keine Lust mehr, so ging es über die Landstraße zurück. Und nur wenige Kilometer weiter waren wir am Ziel.
Am Haus selbst sind nur drei einzelne Parkplätze, jedoch gegenüber (also über die nur noch wenig befahrere Bundesstraße) ist ein recht großer Parkplatz, welchen wir auch genutzt haben.

In das Haus selbst sind wir durch den Haupteingang gelangt. Dieser geht allerdings nur nach der Überwindung der drei oder vier Stufen vor dem Haus zu entern. Ob es einen behindertengerechten Zugang gibt, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Im Lokal selbst sind dann allerdings keine Hindernisse mehr zu erwarten.

Wir durften uns unsere Plätze selbst aussuchen, wählten einen der bereits vorgedeckten Zweiertische. Nur ein paar Augenblicke später nahm allerdings ein groteskes Schauspiel seinen Lauf...

Meine Begleiterin war noch in die Karte vertieft, was mir die Gelegenheit gab, meinen Getränkewunsch zu äußern. "Ich hätte gerne ein Spezi." - "???" - "Ein Spezi bitte, groß." - "Ein Bier?" - "Nein, ein Spezi. Ohne Alkohol." - "Ein alkoholfreies Bier?" - "Nein, ein Spezi. Eine Mischung aus Orangenlimonade und Cola. Ohne Bier. Ohne Alkohol" - "Ah, ein Radler?" - "Ja, ein Radler...." Mit dem Blick in Ecken und an die Decke, um sicher zu gehen, dass da keine versteckten Kameras installiert sind.

Radler, 0,5 Liter, Dingslebener Bier - zu 3,00 € (6,00 €/Liter)

Die Begleiterin war sichtlich um Haltung bemüht, um nicht loszuprusten. Sie bestellte sich ein Classic Mineralwasser, 0,25 Liter zu 1,80 € (7,20 €/Liter).

Beide Getränke wurden also an den Tisch gebracht.

Aus der Karte - recht umfangreich, wir hatten zuerst viele Fertigprodukte befürchtet - wählten wir im ersten Anlauf wie folgt:

- 1x Nr. 15 - Schweinemedaillon mit Kräuterseitlingen und Kroketten zu € 15,90
- 1x Nr. 16 - Schweinrindsteak mit Würzfleisch gratiniert, Pommes und Salatauswahl zu 13,90 €.

Kurz darauf erscheint der sehr formvollendet auftrende Ober wieder am Tisch, um mitzuteilen, dass es kein Würzfleisch mehr gibt. Was die Begleitung für schade, aber als keinen Beinbruch befindet. Sie bestellt der Einfachheit halber ebenfalls die Nr 15.

Die Wartezeit wird von meiner Begleitung genutzt, sich auf der Toilette zu erfrischen.

Runde 2. Während die Begleiterin sich abseits vom Tisch aufhält, tritt eine Dame an unseren Tisch und erklärt mir, dass nun ab morgen (also Sonntag) Urlaub wäre und daher nicht mehr alle Zutaten verfügbar sind. Einerseits finde ich es schade, weil ein Kräuterseitling in unseren Gastronomien eher selten zu bekommen ist. Aber im Gegenzug bedeutet das auch, dass das Lokal frisch kostet. Was soll´s gibt´s eben Champignon zu den Medaillons. Auch keine Sahne. Was wir ebenfalls nicht schlimm finden, es ist eh spät am Abend, der Heimweg noch weit und die Begleiterin reagiert gelegentlich auf Milchprodukte. Dafür wird uns in Aussicht gestellt, einen Euro je Portion nachzulassen.

Kleiner Einwurf: Schweinrindsteak:
Neben einigen weiteren Grammatikfehlern auf der Karte kamen wir uns leicht verunsichert vor. Auf dem Heimweg waren wir uns dann einig, dass damit ein "Schweinerückensteak" gemeint sein muss. Also doppelt schade, dass es dieses Gericht nicht gab.

Nur wenig später eine positive Überraschung:
Ein Gruß aus der Küche! Und sogar ein hervorragender. Eine Tasse mit Suppe, recht fest von der Konsistenz her. Erster Geschmackseindruck: Waldpilz. Aber welche Grundlage? Nicht zuletzt aufgrund der Farbe tippten wir auf eine feine Erbsensuppe. Sehr heiß, sehr gut im Geschmack - ein tolles Gericht für kalte, neblige Tage. Das Aufstreumaterial bestand aus diversen Kernen und Saaten, geröstetem Brot und ein paar Schinus-Beeren. Letztere mag ich nicht, aber noch immer besser, als verdorbenen roten Pfeffer zu bekommen. In der Summe war die Überraschung sehr gelungen.

Als nächstes erreichte eine große Schale mit Kroketten den Tisch.
Die Befürchtung, dass diese bis zum Eintreffen der Hauptgänge abkühlen würden, hat sich bis zum letzten Bissen nicht bewahrheitet. Und mir ist niemals vorher der betörende Duft von Kroketten so sehr aufgefallen.

Kurz darauf bekamen wir zwei Teller mit unserem "Abendbrot Surprise".
Bedenken eins: Schmeckt nicht.
Bedenken zwei: Knoblauch und "nur" glasige Zwiebeln. Nichts für die Begleitung.

Aber wir haben Hunger und wir müssen im Nachgang auch bezahlen.
Ein paar der Kroketten gesellen sich mit auf den Teller, der erste Bissen. TK-Kroketten, aber endlich einmal mit "Farbe" außen und Hitze innen. Perfekt.

Die Gabel wandert in das Fleisch. Holla! Butterzart. Sehr, sehr weit über meiner Erwartung liegend. Aber der Geschmack ist nicht das Unwichtigste beim Essen. Im Mund... Geschmack! Und zwar einer, der weitab der Billigsoßen und von Fertigessen ist. Die Lende ist auf den Punkt gebraten, innen leicht rosa. Toll gewürzt entweder mit einem selbstgemachtem Pesto obenauf oder einer selbst hergestellten Kräuterbutter. Ich tendiere zu Pesto, denn es ist keine Butter in flüssiger Form auf dem Teller zu finden gewesen. Noch einmal ganz deutlich: Das Fleisch in Konsistenz und Geschmack ist eines der besten der letzten Jahre.

Die Pilze. Wie angekündigt ohne Sahne. Dafür mit glasig geschwitzen Zwiebeln, etwas Olivenöl und perfekt angebraten. Dazu das Fleisch - ein perfekter Gang, der Einfachheit und klaren Geschmack aufweist. So manches Rinderfilet war weniger schmackhaft als dieses aus wenigen Komponenten bestehende Gericht. Wir sind uns einig, dass wir wieder kommen. Und dann - auch abseits der Karte - vielleicht dieses Gericht wünschen.


Zwischenzeitlich hatte der Ober, dem wir bis dahin eine eventuelle Schwerhörigkeit unterstellt hatten, sich seinen Mantel geschnappt und das Lokal verlassen. An den Tisch trat nun Dame Nr. 2, aufgrund des Outfits als Küchenangestellte zu identifizieren.

Unsere Rechnung kam kurz danach und wurde, ohne zu kontrollieren, beglichen. Jetzt eben fällt mir auf, dass die Rechnung über die volle Summe ausgestellt wurde. Und was soll ich sagen: Jeden Cent war das Essen wert.

Die Verabschiedung war dann von der Gastroseite eher knapp: "Schönes Wochenende". Reicht ja auch, hat uns aber darin bestärkt, dass die Leute mit Kontakt zu uns an diesem Abend keine gebürtigen Deutschen, also keine Muttersprachler, sind. Was dann auch die leicht wirre Karte erklärt.

Vor dem Lokal haben wir den Herren von "hinter der Bar" getroffen und gefragt, ob er der Koch ist. Nein, aber die Dame, die uns die Rechnung brachte. Erstmals in meinem Leben habe ich der Küche ausrichten lassen, dass das Essen hervorragend war. Ungelogen.

Mein Fazit: Hin! Wenn die restlichen Speisen im Ansatz so sind, wie die Essen, die uns erreicht haben, dann kommt das Restaurant auf die Liste der zu besuchenden Lokale.




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