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Der Mensch ist auch nur ein Auto.

Zumindest im übertragenen Sinn. Solche Gedanken kommen einem vor der Zeit, zu der normale Menschen aufstehen. Ob ich...? Egal, noch ein Kaffee aus der Tassimo, ist auch egal, dann wird eben nicht geschlafen. Oder später. Und die Sonne sieht man auch nicht an jedem Tag aufgehen, ohne Wolken, bei frischer Luft. Und bei einer Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt schön eingepackt auf dem Balkon den Vögeln lauschend. Nur die Tasten des Laptop klappern. Aber das wird schon niemanden stören.

Da kommt also der kleine nackte Wagen aus der Fabrik. Perfekt, alles dran, was man zur Zeit so braucht, kräftiger Motor, keine Kratzer am Lack, noch komplett ohne Beulen und Schrammen. Nur die Hupe ist vielleicht ein wenig zu laut ab Werk, das kann man aber einstellen.

Zuerst wird ein leichtes Öl zum Einlaufen eingefüllt, später dann, nach den ersten Inspektionen, da darf es auch kräftigere Kost sein, die den Motor stärker macht. Die Software wird erneuert, ein paar Anbauteile kommen dazu und es läuft irgendwie. Alles schnurrt, surrt, funktioniert. Wird individueller.

Und doch nagt der Zahn der Zeit. Erst am Lack. Auf dem Parkplatz des Dicounters geschieht das erste kleine Unglück, ein kleiner Rempler mit der Einkaufskarre, der Lack hat Kratzer. Nicht tief, keine Beule; ein wenig Politur reicht aus, um den Schaden zu beheben. Die Fahrt geht weiter, die Schrammen haben ja keinen Einfluss auf das Geschehen an sich, nur die Optik leidet ein wenig. Ein Zweitwagen wird angeschafft, steht in der Garage neben einem. Kleiner, schöner, neuer. Und doch mag man sich, jeder hat seine Aufgabe im Leben des Halters.

Irgendwann dann passiert es. Unachtsam. Einfach nicht bemerkt, was da auf den Wagen zukommt, fährt er auf die nächste Kreuzung in seinem Leben - und wird gerammt. Keine Schramme, keine Beule - ein richtiger Schaden. Das Fahrwerk leidet, Bleche werden getauscht, ein langer Werkstattaufenthalt und nichts passt mehr so recht zusammen.

Zurück in der Garage schaut der neue Wagen erstmals genauer hin. Klar, der Kleinwagen hat Verständnis, aber ihm wird bewusst, dass der Familienwagen neben ihm in die Jahre gekommen ist, der Kleinwagen in den besten Jahren ist. Der Alte Wagen hat Schrammen, der Motor dreht nicht mehr so wie früher, die Teile leiern langsam aus und er braucht mehr Aufmerksamkeit. Die Ledersitze haben Falten bekommen, ab und zu, an manchen Eckenm da fehlt schon die Farbe, der Innenraum ist abgestoßen. Hier eine Macke, die nur durch einen gezielten Knuffer zu überbrücken ist, da eine kleine Hakelei, die eines Tricks vom Besitzer fordert.

Und plötzlich ist der Kleinwagen, der neuer und anders ist, viel interessanter für den Besitzer, als der alte Wagen, der zuverlässig durch das Leben geholfen hat. Der im kalten Winter ebenso da war wie im Sommer, für Kühlung während der Fahrt gesorgt hat. Der über die holprigen Wege gefahren ist, mit seinen Stoßdämpfern die schlechten Straßen angenehmer gemacht hat. Das ABS hat sicher vor den Hindernissen geholfen die breiten Sitze haben Komfort geboten. Zu dieser Zeit war alles noch perfekt.

Und eines Tages muss der alte Wagen in das Autohaus, in dem der Besitzer sich neue Prospekte abholt. Das neue Modell. Nicht viel besser, aber neuer, anders.Gleiche Technik, aber mit Facelift. Reizvoller, auf seine Weise reizvoll. Für das ganz neue, ungebrauchte Modell aus der Fabrik fehlt das letzte Quentchen, so wird es ein Gebrauchtwagen. Die Kratzer im Lack, die dieser Wagen schon hat, die werden nicht gesehen, denn hier hat ein Profi poliert, das Leder geglättet, dem Auto ein neues Leichtlauföl eingefüllt, damit der Motor schön rund und leise läuft. Natürlich ist auch dieser Wagen schon ein paar Kilometer gefahren, die Dämpfer haben schon schlechte Straßen gesehen, haben einen anderen Besitzer über die Wege geführt, die das Leben ausmachen.

 Und er stand nicht wirklich zum Verkauf beim Händler, nur zur Inspektion, hatte noch einen Besitzer, der an ihm gehangen hat. Aber, alles hat seinen Preis, und für das Andere sind wir doch gerne bereit, ein paar Sachen zu investieren. Auch hier geht irgendwann in den nächsten Jahren der Lack ab, das Leder wird auch wieder runzelig und die Besitzer brauchen Tricks, um den Wagen am Laufen zu halten.

Der alte Wagen aber, der kam zurück zum Händler. Guter Gebrauchter steht auf dem Schild, wenige Kilometer, viele Extras, erste Hand. Das Leder wurde geglättet, die Beulen beseitigt, die Spaltmaße korrigiert und die Software hat ebenso ein neues Update bekommen, wie auch eine neue Scheibe für bessere Sicht bei Gegenlicht eingebaut wurde. Kurz: der Wagen wurde aufgehübscht und hat nun Zeit. Viel Zeit, die er vielleicht gerne einfach nur in der Sonne auf dem Parkplatz des Händlers verbringt, ab und zu einmal angelassen wird, ansonsten aber seine Ruhe hat. Ein Oldtimer eben, bei dem andere Werte zählen, nicht mehr der perfekte Lack und der volle Tank, der einem um die Welt bringt. Und irgendwann wird ein Liebhaber vorbeikommen und das alte Stück in seine Garage stellen. Es pflegen, die Patina zu schätzen wissen und über die Macken und Schrammen hinwegsehen. Er wird Gefallen finden am alten Wagen, der eine Geschichte zu erzählen hat. Und der nun mit neuem Lack und alter Kraft generalüberholt in der Garage wartet. Auf den Besitzer, der auch eine Geschichte vorweisen kann, auch Falten hat und Patina.

Das Leben ist auch in der Garage schön, vielleicht sogar sicherer, weil es da keine Einkaufskarren gibt. Und der neue Besitzer weiß seinen Oldtimer zu schätzen, weil er andere Werte hat als einen perfekten Lack und eine laute Hupe, die ihm im Leben Platz schafft. Das Leben ist schön, auch für Gebrauchtwagen.

Kommentare

  1. Hast du auch gewechselt?
    Ich habe vor jetzt neun Monaten meine Familienkutsche abgegeben und gegen einen kleinen Ein/Zweipersonenflitzer ausgetauscht.
    Das war schlimm. Der "Hase" hatte viele Macken, aber er hat uns durch viele Un-, Um- und Abwege sicher geleitet. Hat beiden Kindern das Autofahren beigebracht (ja, die haben den großen Wagen mit Wums als absolute Beginner fahren dürfen, ich wollte, dass sie starkes Blech um sich rum haben). Irgendwie schien er unkaputtbar. Die kleinen Unfälle (mal ein abgerissener Spiegel in der Autobahnbaustelle, mal ein mitgenommener Vorfahrtschneider, mal ein Pfosten im toten Winkel - kein einziger Unfall durch mich selber) hat er verziehen. Er hat mehrere Umzüge und den Transport einer kompletten IKEA-Küche gemeistert (wir sind Meister im Tetris). Aber dann ging der Verschleiß los, Bremsen, Riemen, Getriebe - und eh die teure Kupplung auch noch kam, wurde er schnell zum Händler gebracht. Wegen der ersten Hand und der vielen Extras gab es einen ordentlichen Preis dafür und er ist sowieso ins Ausland gegangen.
    Der Kopf war klar, ja, er hatte sein Werk vollbracht, Abschied in Ehren. Schon komisch, wie viele Emotionen man an so ein Ding hängen kann. Ich habe echt getrauert!
    Mit dem Neuen hab ich mich schwer getan am Anfang, obwohl er mein Wunschauto ist. Inzwischen riecht er nicht mehr nach Werk sondern ganz dezent nach "mir". Mal sehen, wie lange wir zwei es miteinander aushalten und was wir so erleben.

    Viel Spaß mit dem Neuen! Grüße! N.

    PS: Ein paar Fotos von meinem Neuen gab es auch.

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  2. Nelja, nein, ICH wurde gewechselt. Das war eine Metapher. Bisschen zu kryptisch? :-)

    Ich trauere nur zwei Autos nach:
    - einem 1990er Jeep Wrangler 4.0 HO
    - einem 1991er BMW 520i 24V

    Der Jeep war ein Cabrio und hat unheimlich Spaß gemacht. Außer wenn mitten auf Landstraße nächtens bei 100 das Licht ausgefallen ist. Motor aus, wieder an - ging wieder. War aber ein Gebrauchter, den ich als Dreivierteljahres-Wagen gekauft hatte. Ein versteckter Totalschaden, was sich erst nach einem halben Jahr gezeigt hatte. Das Auto hatte mit der Vorbesitzerin bei 8.000 km eine Rolle in der Kiesgrube gemacht.

    Der BMW war dann der Ersatzkauf dafür, wir waren sieben Jahre "zusammen", knapp 200.000 km haben wir in der Zeit hinter uns gebracht. Ohne auch nur eine Reparatur, immer zuverlässig, günstig im Verbrauch und flott. Und als 21jährige mit einem 5er BMW war das auch toll, denn ich stehe eher auf gleiten als auf rasen. Und der schwere Wagen mit seinen sechs Zylindern war dafür wie gemacht. Gefolgt sind dem dann ein 1998er E39 und 2005 ein E60. Aber die Autos waren irgendwie seelenlos. Der letzte auch ein Leasingfahrzeug, den habe ich mit Freude zurück gegeben. Im Moment ist ein E48 2.2 aktuell. Ist ein Coupe, für mich aber nur noch Mittel zum Zweck, ohne Emotionen.

    Mein nächstes Auto? Wieder eines mit Propeller, aber wieder eine Limousine. Kein Coupe mehr. Momentan ist mir nach 5er-Kombi (Probefahrt an Valentinstag, aber in Wunschausstattung knapp 70.000 Euro... Puh....)

    Der aktuelle steht in der Werkstatt, bekommt TÜV. Seit dem letzten TÜV vor zwei Jahren habe ich ganze 6.400 km damit zurückgelegt. Die 5er habe ich alle so mit gut 150 - 180.000 km auf der Uhr verkauft. Der jetzige hat knapp über 50.000 drauf. Was heißen würde: in 20 Jahren gibt es ein Neues ;-)

    Ist Deiner ein Leon? Den will ein Kumpel von mir schon seit Jahren, irgendeine Version mit knapp 200 PS würde ihm gefallen. Gibt es so ein Modell?

    So, nun mache ich mich mal an die Arbeit, bin ja ein gebrauchter Oldtimer, da dauert es etwas, bis die Betriebstemperatur passt. ;-)
    Grüße aus Sonnenscheiningen!

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    1. Das ist außen sogar nur ein Ibiza - aber innen holla. Also die ganz große Motorisierung und das Luxuskomfortpaket. Jetzt, wo wir uns ein bisschen kennen, macht er auch Spaß. Aber mein Octavia (auch mit der ganz großen Motorisierung, ein Wolf im Schafspelz) ... hach.
      Gib mir ein schnelles Auto und ich fahre es schnell - aber nur wenn und wo es geht. Null Punkte in Flensburg und null selbst verschuldete Unfälle bei etlichen Kilometern im Jahr (wohnen ja alle im Land verstreut) sprechen da wohl für sich.

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    2. Die großen Autos mit den großen Namen überlasse ich dem Ehemann. Also ich fahre die schon auch, aber das sind schon Männerspielzeuge, egal ob aus München oder Ingolstadt.

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    3. Die ExFrauDSL war/ist da nicht so. Die hat auch mal einen 7er bewegt, fährt/fuhr(?) aktuell einen 5er Kombi. Warum auch nicht. Und ich war immer beruhigt, wenn sie ordentlich Blech (=Überlebensraum) um sich herum hatte. Und das hat mehr als einmal gut getan.

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  3. Meinen Kleinen habe ich von Mama übernommen, der wird gefahren bis er auseinander fällt. 99er Baujahr Corsa, der muss noch ein bisschen halten!

    Aber ich kann das gut verstehen mit den großen Schlachtschiffen. Mein Guter fährt dieses Jahr 5er Limosine, letztes X1, der 5er Kombi davor war mir am liebsten. Aber so richtig schön fährt es sich immer noch im Z3 bei lauer Luft und Sonnenschein..

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    1. Die ExFrauDSL hatte auch als erstes Auto überhaupt einen Corsa. Leider war der nicht stabil genug. Lange war der nicht bei uns, denn der "ECO"-Motor hat mehr Sprit gebraucht als mein damaliger 5er. Kein Scherz. Naja, vielleicht hat es daran gelegen, dass ich mit meinem Auto mehr das gleiten mochte, sie den armen Opel immer ganz schön getreten hat.

      Kombis sind nicht so mein Ding, ich mag eher die Limousinen. Oder Cabrios wie den Z3, die bekommt man gut erhalten mittlerweile nachgeworfen. Aber die sind halt nix für alte Männer.... ;-)

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  4. weil sie so tief liegen
    ich muss auch immer rauskrabbeln!
    ich mag den kombi, weil man da mehr hineinbekommt

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  5. Da kommt mir mein Alter entgegen. Tür auf, auf den Asphalt rollen und warten bis Hilfe kommt, Klappt immer.

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  6. ;O)

    nee nee, bei mir denken die leute dann,. das wäre ein unmoralisches Angebot

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  7. Wenn es nicht am schwierigen herauskommen liegt, woran liegt es dann?
    Z3 ist ja leider nicht meiner und darf auch erst wieder ab April aus der Garage.

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  8. Na, liegt schon am rauskommen, da nervt schon das 3er-Coupe. Aber Cabrio fällt aus, weil eben irgendwann die Ellbogen und die Knie aufgeschlagen sind. Und kurz darauf braucht man dann wirklich Hilfe :-) Dann lieber ein X5. A.... voran, Beine nachgezogen, Elektrostuhl nach vorne. Fertig. Aber sooooo teuer..

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