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Gibt es Nikolaus und Christkind?

Komischerweise ist meine allererste Erinnerung an mein Leben die an den Weihnachtsmann. 1972 muss das gewesen sein, da war ich gerade einmal zwei Jahre alt. Später kann es nicht gewesen sein, weil 1973 meine Schwester geboren wurde und wir vor Weihnachten des selben Jahres umgezogen sind.

Ich weiß nur, dass ich die Aufregung um mich herum noch nicht verstanden habe, weiß aber, dass es an der Tür geläutet hat. Und dann kam ein Satz wie "Das war der Nikolaus, mach mal die Tür auf!" Ging nicht, denn als Zweijähriger hat man mit der Balance zu tun und schwergängige Wohnungstüren, an denen manchmal auch die Erwachsenen verzweifelten, sind dann eher unüberwindbare Hindernisse.

Angst hatte ich, glaube ich, auch ein wenig, wahrscheinlich wurde mir vorher angedroht, dass der Nikolaus mich mit der Rute aushauen würde, für den Abtransport im Jutesack wäre auch gesorgt. Später wurde mir erzählt, dass ich scheinbar mit Vorliebe die Waschmaschine wieder ausgeräumt hatte. Zudem ist in 1972 ein Schaukelhund (ich kann mich an den noch erinnern, der war orange und hatte ein hässliches Fell) und eine Kinderschreibmaschine drauf gegangen. Und die nächsten Jahre sollte das auch nicht besser werden, weshalb ich also keine filigranen Geschenke oder welche aus Kunststoff mehr bekam. Metall und Holz sollten meine Spiellandschaften dominieren.

In 1972 gab es also eine Feuerwehr von SIKU, die mich noch jahrelang begleitet hat, ein Modell einer Flughafenfeuerwehr. Richtig schwer. Und bald ohne Reifen. Die waren aus Kunststoff. Ach, Schwund ist immer irgendwo gegeben. Und es gab ein Polizeiauto nach amerikanischem Vorbild. Auch aus Blech, batteriebetrieben und als "Wendeauto" ausgerüstet, welches an der Tischkante umgedreht hat. Der Geruch der Reifen liegt mir noch heute in der Nase. Auch Jahre später war der noch deutlich zu vernehmen.

1973 dann der Umzug in die neue Wohnung. Das erste Jahr, in dem auf die Bedürfnisse der Prinzessin eingegangen werden musste. Zum Nikolaus gab es in den Jahren nach 1972 immer und immer wieder kleine Autos von "Matchbox" und "SIKU".  Damals wurde Waschmittel noch mit viel Füllstoffen ausgeliefert, in Papptrommeln verpackt. Zwei davon habe ich im Laufe der Jahre mit diesen Autos voll bekommen. Wo die abgeblieben sind? Das weiß wohl nur meine Mutter.

Irgendwann in den 1970er Jahren kam dann das Christkind zum Zug. Der böse Nikolaus hatte lange seinen Schrecken verloren, die Drohungen sich über die Jahre abgenutzt. Wir waren naiv, aber nicht blöd. Nun hieß es am Weihnachtstag, Bescherung war immer am 24. Dezember: "versteck Dich, das Christkind bringt Dir nur was, wenn es nicht gesehen wird." Ein Risiko, welches ich in keinem Fall eingehen wollte. Dumm nur, dass irgendwann in den Folgejahren der Christbaum so aufgestellt wurde, dass dieser von meinem Kinderzimmer aus durch das Schlüsselloch gut einsehbar war. Mein Gott, hatten wir ein Christkind. Irgendwie sah es meinem Vater ähnlich, bewegte sich auch so. Gut, der nächste Mythos war somit auch erledigt.

Die üblichen Geschenke waren dann IMMER Pullover, die ich noch heute nicht mehr anziehen mag. Und Strümpfe. Wenn es gut lief, dann hatte meine Mutter auch mal zugehört, es lag dann etwas unter dem Baum, was ich mir wirklich gewünscht hatte. Später dann, als wir einigermaßen geschäftsfähig wurden, ist die Familie auf das einfallslose verschenken von Gutscheinen übergegangen. Ich mag das nicht und schenke sowas nur, wenn ich genau weiß, dass die Person da auch was ausgesucht hat und es Varianten gibt, bei denen ich nicht entscheiden möchte. Z. B. dann, wenn es um die Auswahl der Ringform und des Steines ging ;-)

Über die Jahre ist das eigentliche Fest immer mehr in den Hintergrund getreten. Wohlstand, fast schon Reichtum ist in die Familie eingetreten, von Bockwurst und Kartoffelsalat ging es dann über kleine Leckereien bis hin zu  wahren Materialschlachten in Sachen Lebensmittel weiter. Mein Vater, sonst immer sehr sparsam, kannte kein Halten mehr. Vom Feinsten und Mengen. Hauptsache viel und teuer. Alles die Sachen, die er als Kriegskind vermisst hat. Ein Genuß musste sich da nicht unbedingt einstellen. Es wurde gekauft und konsumiert, weil wir es uns leisten konnten. Der Geschmack? Nebensache. Klar, heute esse ich auch lieber ein Rinderfilet vom Wagyu oder eine tolle Nudelsorte oder eine besondere Zutat. Aber nicht einfach deshalb, weil ich es mir leisten kann, ich kaufe und verwende dies nur, wenn es mir auch schmeckt und einen wirklichen Mehrwert bringt. Etwas nur zu verwenden, weil es teuer ist, das widerstrebt mir.

1995 ist dann die Liebe meines Lebens in selbiges getreten. Ab da ist etwas falsch gelaufen. Ich dachte, ich müsse ihr meine Liebe mit Mengen an Geschenken zeigen. Sieben Stück im ersten Jahr, dazu immer eine passende Karte. Nur an Weihnachten. Und ich habe gerne geschenkt und ihr Lächeln dabei gesehen. Auch heute noch schenke ich lieber, als das ich beschenkt werde. Was vielleicht auch daran liegt, dass ich eigentlich fast wunschlos glücklich und zufrieden bin. Ich finde es eher schade, wenn sich die Leute wenig Gedanken um das Gegenüber machen, im Jahr nicht zuhören und dann Parfum verschenken, die berüchtigten "mir-fällt-nichts-ein-Gutscheine" und Unterwäsche.

Und oft muss es möglichst teuer sein, um dem Anderen zu zeigen, wie viel einem an ihm liegt. Ich finde es viel schöner, wenn Gedanken dazu führen, etwas Kleines und Persönliches zu schenken. Mir war es oft auch peinlich, wenn M mir teure Geschenke gemacht hat. Ich war immer der Ansicht, dass ich sie irgendwie dazu gezwungen habe und diese nicht wert wäre. Weihnachten war für mich also eher die Zeit der Verzweiflung und Ängste anstatt der Besinnlichkeit, dem Fest der Liebe.

2010 war es dann aber endlich so, dass ich Geschenke annehmen konnte, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe gerne geschenkt, habe, glaube ich zumindest, nicht so falsch gelegen, und tolle Geschenke bekommen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, M hatte mir zugehört. Auf jeden Fall war jedes Geschenk ein Treffer in das Herz. Und erstmals hätte ich mir gewünscht, einen Christbaum zu haben, unter dem ich ihr einen Heiratsantrag machen könnte. Andere Geschichte, anderer Ausgang, abgehakt. Kein Christbaum, kein Antrag.

Und in diesem Jahr ist es endlich so, wie ich es möchte. Keine Termine an Weihnachten, ich kann frei entscheiden, ob ich auf der Couch bleibe, ob ich eine der vielen Einladungen noch kurzfristig annehme. Oder ob ich mir ein Bäumchen hole, einen Kranz - oder nichts. Und ich muss nicht mehr teure Sachen in mich hineinstopfen, nur weil sie eben da sind. Oder von anderen erwartet werden. Und ich kann, wenn ich möchte, einen ganzen Topf tomatenlastiges Gulasch kochen, davon über Weihnachten zehren. Mit Reis, Nudeln oder Brot. Oder ein Butterbrot essen. Oder die selbstgemachte Trüffelpastete anschneiden. Oder diese verschenken. Oder einfach schlafen. Wasser aus der Leitung oder ein Schluck vom Winzersekt? Entscheide ich an Weihnachten. Denn - ich bin endlich frei von Konventionen. Ich werde also in 2011 mein Weihnachten zwar einsam aber nicht unglücklich verbringen. Keine Ansprüche, die ich erfüllen muss. Und ich bekomme KEINE Geschenke, werde auch keine Geschenke machen. Das Geld dafür habe ich gespendet, anonym und an Menschen, die es besser brauchen können als ich. Meine Wohnung ist warm, ich habe den Luxus, Weihnachten sorgenfrei zu verbringen. Ich bin angekommen beim Geist der Weihnacht.

Und zum ersten Mal seit meiner Kindheit werde ich einen Wunschzettel an das Christkind auf  mein Fensterbrett legen. Und da sind keine Bitten nach Materiellem drin. Und bestimmt auch andere Wünsche, als es sich die MitleserInnen hier vorstellen können, eine Beziehung gehört nicht dazu :-). Mal sehen, ob es funktioniert. In 2012 werde ich darüber berichten, wenn es klappt.

Kommentare

  1. Wenn ich das letzte Drittel so lese,
    Ich wiederhole mich.
    " willkommen im Club"
    Auch diese Art des Lebens kann schön sein.
    Man muss es nur annehmen!

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  2. Das wird schon klappen mit den Wünschen, allein schon deshalb, weil wir das dann erfahren und ich doch so neugierig bin *flüster* (aber das bleibt unter uns, näch?).

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  3. brisy, klar wirst Du davon erfahren. Dass kann aber dauern. Und es sind ja keine Materiellen Dinge und keine Dinge, die eine Beziehung oder ähnliches beinhalten. Und nein, ich habe auch niemandem etwas Schlechtes oder gar Böses gewünscht. Auch nicht, dass M zu mir zurück kommt. Na, schau mer mal...

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  4. Das war schön zu lesen ... mehr kann und will ich dazu gar nicht sagen (aber das dann schon, schön).

    Grüße! N.

    Ach ja, vielleicht noch das. Ich habe an Weihnachten noch nie einen wirklichen Herzenswunsch erfüllt gekriegt, auch nicht zu Zeiten, als ich noch sehr genau und schriftlich auf Wunschzetteln gewünscht habe. Das muss am Datum liegen, denn ganz unabhängig von irgendwelchen konventionellen Wunscherfüllungsterminen hab ich sogar ganz heimliche Wünsche erfüllt gekriegt, materielle und nicht materielle. Was mich zu dem Schluss bringt, dass Weihnachten ein lokal völlig überschätztes Gemüse ist.

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  5. Nelja, ich hatte bis Februar ja alles, was ich wollte, ich hatte wirklich keine Wünsche. Geglaubt hat mir das nie jemand. Und auch jetzt habe ich nur einen Wunsch für mich, der aber wohl nicht in Erfüllung gehen kann. Aber die Dinge, die ich für andere wünsche, ich glaube, das sieht gut aus.

    Und mit Weihnachten, Ostern und den ganzen anderen Feiertagen mit Geschenkanlass - da gebe ich Dir vollkommen recht. Nur Kommerz, keine Geschenke aus Liebe. Ich brauche und brauchte dafür nie einen Termin.

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