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Ich war auf Frauensuche! 2

Wie angekündigt bin ich wieder am Freitag Abend auf Frauensuche gewesen. Da es bei den Gleichaltrigen aus welchen Gründen auch immer nicht klappen wollte, hatte ich mir einen Ü-70-Tanztee herausgesucht.

Die Speisen für Samstag Abend waren soweit vorbereitet, so musste ich nur an mein Wohl denken. Und eben an die entsprechende Anpassung. Selbst ist der Mann, weit ist das Spielfeld.

So war es mir ein Leichtes, mit dem Bartschneider die Haare zu trimmen. Entschieden habe ich mich für einen schicken Kranz á la "Onkel Siegfried". Vorne habe ich einen kleinen Seitenscheite (nach RECHTS) stehen lassen. Der Bart wurde getrimmt, komischerweise versagte der Akku genau dann, als nur noch unter der Nase ein paar Haare stehen blieben. Ach was solls, ich bin eh nicht in Form, wenn ich lauter spreche, wird meine Stimme irgendwie heiser. Da wird die angepeilte Altersschicht wohl nichts dagegen haben, denn ich bewege mich geschmeidig wie ein Panther. Ein grauer Panther.

Zur Einstimmung beschließe ich, meine Festtagshose aus Cord anzuziehen, dazu das kleinkarierte Hemd in rot/weiß. Lackschuhe dazu, beige Weste drüber - fertig ist der Gentleman für den Tanzsaal.

Hunger habe ich aber auch. Ob es bei einem Tanztee was zu knabbern gibt? Bin mir nicht sicher, will aber auch nichts modernes Essen, die Stimmung soll erhalten bleiben. Ich nehme also ein Altbier und dazu einen Toast Hawaii. Dankeschön, her damit. Schmeckt irgendwie alt, der Toast, nicht mehr ganz frisch. Genau das, was ich brauche.

Gegen 16 Uhr breche ich auf, Hochstimmung in den Gliedern - Vorfreude auf die neuen Bekanntschaften, Pfefferspray in den Taschen, falls die Mädels zu aufdringlich werden. Nochmals kurz in den Spiegel geschaut, der Scheitel ist verrutscht. Für mich kein Problem, mit etwas schwarzer Schuhcreme mache ich das Problem fix. Fesch, fesch. Draußen läuft ein blonder Schäferhund vorbei.

Ich begebe mich also in Richtung Eintritt, vor mir die Dame von der letzten Woche, die mit dem Kinderwagen. Sie scheint mich nicht zu erkennen, denn sie wechselt vor sich hinbrummelnd die Straßenseite. Schade, meinen neuen Spruch kann ich so nicht anbringen.

An der Kasse werden heute höhere Kurse aufgerufen. Männer 5 Euro, Frauen 15 Euro. Rein damagogisch betrachtet, macht das auch Sinn. Ob ich meine Weste an der Garderobe abgeben möchte? Kurzer Blick, in der Abteilung für Männer hängen nur Anglerwesten. Alle in beigegrau wie meine. Alle mit Unmengen an Taschen. Was kommt da überhaupt rein? Die Zweitasten-Handys sind zu groß. Batterien für das Kind? Keine Ahnung, ich verzichte zumindest.

Die Aufkleber sind auch deutlich größer als in der letzten Woche, anstatt so groß wie ein Bierdeckel ist nun eine komplette Brustbreite bedeckt. Und auch die Blutgruppe muss man mit eintragen. Warum auch immer.

Am Tisch zum sitzen gekommen, wird die Getränkekarte vorgelegt. Ich kann wählen zwischen entkoffeiniertem Kaffee, Weißweinschorle und Doppelherz mit Cola. Auch koffeinfrei. Ich will den Kick spüren, entscheide mich für letzteres. 0,2 Liter für acht Euro. Da weiß man, für was man sein Leben lang gearbeitet hat.

Am Tisch mit mir sitzt eine einzelne Dame, ich versuche ein Gespräch, sie reagiert nicht. Ich spreche lauter, vielleicht ist der Radetzkymarsch doch leicht übersteuert. Irgendwas quietscht. Ich denke noch, dass die Musik nicht leicht sondern sehr übersteuert, als ich merke, dass es die Hörgeräte meiner Gesprächspartnerin sind. Sie lächelt mich aus Colaböden an und meint, dass sie es schön findet, dass ihr Enkel sie mal wieder besucht. Sie meint mich.

Ich wechsle den Tisch, setzte mich an eine Runde mit Männern. Einer springt auf, bietet mir seinen Platz an. Er denkt wohl, ich komme von einem Wettbewerb, wie sonst sollte ich irgendwo der Führende sein? Ich bin verwirrt und nehme dankend an. Mein Nachbar - Ernst-Eduard, erzählt mir, dass er in der Ostmark gearbeitet hat. Irgendwas im Wald, was auch erklärt, dass er das Glas so komisch hält. Ich bewundere noch, wie man eine Mass mit nur einem Daumen und dem kleinen Finger zum Mund führen kann, als die Musik aus ist.

Franz-Heinz, der vierte Mann in unserer Runde, schlägt mit der Hand den Takt des Marsches weiter. Der Donauwalzer setzt ein und FH ist komplett außer Takt. Nach einer gewissen Zeit fällt mir auf, er bewegt sich nicht zur Musik, der Herzschrittmacher arbeitet aber hervorragend.

Endlich kommt das erste Mädel auf mich zu. Verschämt gibt sie mir einen Zettel, kichert und dreht sich weg. Na also, es geht doch auch ohne Worte. Ich entblättere den Wisch, der leicht nach Rosen riecht. Darauf, ich fühle mich in die Schulzeit zurückversetzt, steht:

"Willst du mit mir gehen?
( ) ja
( ) nein
( ) vielleicht
( ) nur fic....." - ich schreibe das hier nicht aus.

Sie beobachtet mich aus gewisser Entfernung, zieht sich ihre Oberlippen mit einem kirschroten Lippenstift nach, zwinkert mir zu. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich geehrt fühlen soll. Na, wenn sich nichts anderes ergibt, dann werde ich später vielleicht mal drüber nachdenken. Aber,, ich bin kein Mann für eine Nacht, ein paar Minuten reichen mir auch, hat M immer gesagt. Ja, sie war schon nett, hat mich immer gewinnen lassen. Wie oft konnte ich sagen "Erster!"....

Ich begebe mich auf die Bühne. Die Krücke habe ich gegen den Wanderstock meines Vaters getauscht für diesen Abend, das macht doch mehr her. Lala Andersen grölt irgendwas über eine Lili Marleen, als mich die Blase drückt. Doppelherz mit Cola wirkt also harnfördern.

Auf der Toilette treffe ich den Mann wieder, der mir vorhin seinen Platz überlassen hat. Als er mich sieht, nimmt er eine seltsam aufrechte Haltung an. Ich grüße kurz und beziehe den Platz neben ihm. Normalerweise starrt ein Mann dabei stur vor sich hin an die Wand. Ich kann aber nicht anders, ich muss den Blick senken, weil die Geräusche vom Nachbarmann anders sind als die üblichen. Ich sehe eine Art Regner. Mindestens vierzehn Strahlen schießen in Richtung Keramik. Ich fasse mir ein Herz und frage mitfühlend: "Altes Kriegsleiden? Streubombe?" Er behält die Fassung und die Haltung und antwortet kurz, stramm und zackig "Mein Herr, der Reißverschluss klemmt!" Ich nicke nur stumm. Ein Mann mit meiner Würde bleibt da ruhig, schließt nach der Verrichtung wieder die Hose und geht zum Waschbecken.

Währenddessen ziehen an mir drei Männer vorbei, die das Waschbecken scheuen, wie der Teufel das Weihwasser. Auch mein Platzüberlasser rauscht mit einem gehörigen Fleck in der Hose in Richtung Gastsaal. Hat er die Hacken neben mir zusammengeschlagen?

Die Liveband ist nun dazu übergegangen, schmissigere Musik zu spielen. Heintjes "Mama" ist an der Reihe, alle anwesenden Personen stimmen in den Chor ein, ich finde es irgendwie rührend, sowas erlebt man im Digitalzeitalter sonst kaum noch. Mir kommen die Tränen. Nicht wegen der Rührung, der Plazüberlasser sitzt wieder neben mir. Irgendwie ist eine Melange aus Rosenduft und Ammoniak in meine Augen gefahren. Frieda M., so steht es auf ihrer Brustkarte, gesellt sich zu mir. Sie fragt als erstes, wie hoch meine Rente ist. Ich denke mir noch: "Ein Luder, die machste klar, die ist leicht zu haben", als ich eine Hand auf meinem rechten Knie spüre. Aber hallo, die geht ja ran. Nachdem bei mir der letzte zwischenmenschliche Kontakt schon länger her ist, werfe ich meine Bedenken über Bord. Die Hand wandert höher. Und höher. Drei Zentimeter über der Kniescheibe wird sie langsamer, schaut mich verwundert an. Ich denke mir noch "was haste jetzt wieder falsch gemacht?" als sie wieder Fahrt aufnimmt. In die andere Richtung. Abwärts. Na, schauen wir mal, was da draus wird. Sie beugt sich leicht vor, die Hand wandert weiter, die Wade ist erreicht. Ich überlege nun ernsthaft, wie lange es bei IHR her ist und ob sie noch weiß, wie das funktioniert? Sie lässt unvermittelt ab und lächelt mich an. "Schön, mal wieder einen Mann zu haben, der durchblutete Beine hat....!" Für mich der Punkt, unter einem Vorwand den Tisch zu wechseln.

Die letzte Chance bietet sich somit am letzten Tisch an. Eine rüstige Dame sitzt da, im Tigerprint, rote Fingernägel, toupiert, schmuckbehangen. Gut, wenn das mein Schicksal sein soll, dann ist es eben so.
Ingrid V. steht dort, auch eine Telefonnummer. Das ist hier die einzige Dame mit Nummer vor der Hüttn, mir kommt die Nummer bekannt vor. Wir ordern nochmals Doppeherz mit Cola, unterhalten uns nett, als sie einfach nach vorne kippt. Ich will fast in Panik geraten, als sie wieder aufwacht. Narkolepsie, erklärt sie mir. OK, ich bin nun vorbereitet. Sie sagt zu mir, dass ich bitte, wenn dieser Zustand länger anhält, die Nummer auf ihrer Brust wählen solle. 19222. Ich weiß noch immer nicht, woher ich ihre Nummer kenne, verspreche aber, dies zu tun. Wir verbringen nun den Abend noch bei ein paar Käsewürfeln, ich genieße die Musik der Comedian Harmonists (Originalfassung von der Schellackplatte) und werde von Ingrid eingeladen. Bei den Kosten kein übler Zug von ihr.

Um 20 Uhr ist der Tanztee vorbei, der Saal wird dann für die "Wir um 20" gebraucht. Für mich war es genug Aufregung für den Abend, vielleicht schaue ich da in der nächsten Woche mal vorbei. Jetzt bin ich müde und fühle mich, als ob zwei Herzen in meiner Brust schlagen. Schade, es hätte ja sein können, dass hier was für mich abfällt. Aber scheinbar war ich dann doch zu offen für Alles. Schau mer mal....

Kommentare

  1. *Breites Grinsen im Gesicht hab* schööööööönn, Löffel! Wobei, hast ja selbst Schuld, auf dem Zettel das letzte Kästchen angekreuzt, da wär bestimmt was gegangen *kicher*. (Sag ich nur, weil ich auf einen dann folgenden Bericht extrem gespannt bin...)

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  2. Heee... der Rentner genießt und schweigt. Tsssss..

    Ich weiß gar nicht, ob ich mich auf die "Wir-um-20"-Party trauen soll.

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  3. Der Rentner vielleicht, aber biste ja noch nicht, also, ich warte...

    Dochdochdoch, mach nur *schonvorabgrins*. Schaden kanns nix, nur nützen. Zum Lachen für uns arme Mitleser, die nich dabei sein dürfen...

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  4. Kann es sein - nur so eine Vermutung - dass Du leicht Vergnügungssüchtig bist? ;-)

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  5. Nö. Ich find nur Deine fiktiven (wasn Wort *gggg*) Geschichten zu und zu schön. Du hast Phantasie, und ich lach nun mal gern, das Leben ist ernst genug. Ich würd an Deiner Stelle sogar so weit gehen und daraus nen Fortsetzungsroman schreiben. Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden. Leute wie Tommy Jaud haben bestimmt ähnlich angefangen. Hast den mal gelesen? Ich find den cool. Also, auf geht's!

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  6. Ach, kommerziell macht das doch keinen Spaß mehr. Und dann fehlt da noch einiges an Talent. Bei mir ist es immer so, dass ich den Spaß verliere, sobald ich was muss. Oder sobald es vergütet wird. Ne, dann lieber so, wie die Laune gerade ist :-)

    Tommy Jaud kenne ich, der macht ja auch sehr viel Abseits vom Fernsehen. Als Comedian fand ich den aber nicht so toll, eher als Schreiberling im Hintergrund.

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  7. Ich kenn nur fast alle Bücher von ihm und hab mich manchmal vor Lachen am Boden gewälzt. Zwei Filme hab ich auch gesehen, kann man gucken, aber die Bücher sind besser, wie meistens.

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