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Tour ´d amour – in Thüringen auf Liebesfang

Meine Schwester ist schwer verliebt. Mal wieder in einen Menschen, den sie über das Internet, sprich Friendscout24.de kennen gelernt hat. Was ich davon halte, habe ich ja mehrmals geschrieben, bin noch immer der Meinung, dass man einen Menschen lieber langsam kennenlernen soll, nicht über das Internet. Der Vorteil dabei ist, dass man auch das Umfeld langsam anschauen kann, sieht, ob man zusammenpasst.

Seit ein paar Wochen ist meine Schwester nun in der Anbandelphase, zum dritten Mal in diesem Jahr. Und wie immer legt sie gleich alle Gefühle in die Waagschale und investiert liebestechnisch alles, was einer Frau zur Verfügung steht. Gut, ich bin ja schon seit eineinhalb Jahrzehnten raus aus dem Geschäft, verstehe davon nichts und werde das auch nicht mehr gebrauchen. Aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass sie zu schnell zu viel will.

Wie auch immer, ich war entsetzt, als ich heute Vormittag von ihr den „Auftrag“ bekam, im Internet doch mal nach ihm zu forschen. Das einzige was sie mir zur Verfügung stellen konnte, waren sein Vorname, die Großgemeinde in der er arbeitet, seinen ungefähren Beruf und die Daten, die bei eben diesem Friendscout hinterlegt sind. So, nun geh´ mal auf die Suche. Die Frage, warum sie weder den Nachnamen noch die Adresse noch irgendwelche andere Dinge über ihren Schwarm weiß, ist wohl berechtigt. Und wer meine Schwester kennt, der weiß auch, dass sie eben so ist.

Einerseits bin ich ja mal ganz froh, eine halbwegs brauchbare Aufgabe zu bekommen und zudem hat auch eine Ausfahrt gewunken, die für mich kostenlos ist. Abgesehen davon, dass meine Schwester eine schrecklich aggressive Fahrerin ist und sehr unkonzentriert war, kam ich in Gefilde, in denen ich sehr glückliche Stunden mit meinem Ex-Juwel verbracht habe. Vorbei ging es an einem Bad, in welchem es sich im Außenbereich hervorragend relaxen lässt, vorbei an einem Ort, an dem wir eine kurze Rast mit kleinem Picknick eingelegt hatten und auch vorbei an einem Speichersee, auf den wir in der Bauphase ab und zu geklettert waren.

Zuerst wurde die Großgemeinde gegoogelt, nachdem der Ortsteil nicht existent ist. Ob es nur ein Hörfehler meiner Schwester war oder eine gezielte Fehlinformation, wird sich zeigen. Dazu sei gesagt, dass der Neue meiner Schwester einen Dialekt spricht, der wohl sehr dem sächsischen ähnelt. Festnetz hat er nicht, steht also in keinem Telefonbuch. Das Handy hat er vor zehn Jahren gekauft, kann keine MMS, so war es auch nicht möglich, das von ihm momentan gebaute Haus zu fotografieren und zu senden. Wieder eine Möglichkeit der Orientierung weniger.

Im Profil bei dem Anbahnungsinstitut war aber eine heutzutage recht seltene Sportart aufgeführt. Zudem hat er einmal im Nebensatz erwähnt, dass sein Heimatort nur um die 100 Einwohner hat. Also nochmals Google bemüht, den Hauptort eingegeben, die Sportart dazu und siehe da: ein kleiner Ort in der Nachbarschaft des Hauptortes war gefunden. Der noch dazu phonetisch sehr ähnlich dem des gehörten klingt. Die Seite des Vereines aufgefunden und in der dritten Mannschaft haben wir mit dem eher seltenen Vornamen auch einen passenden Nachnamen eroiert. Diesen in einem Telefonbuchprogramm eingegeben, erscheint auch die Adresse, was es nun schon leichter macht.

Wir haben also nun:
  • den Wohnort
  • Vor- und Zuname
  • Straße und Hausnummer

Na also, geht doch. Das nächste Problem auf der Liste war, dass er heute arbeitet. Und zwar in einem Betrieb, der mit Granulat zu tun hat und 24/7 arbeitet. Gut, die kleinen Betriebe fallen da schon mal weg. Aber welche Branche? Da hilft uns der Nickname aus dem Portal weiter. Der -mit etwas Allgemeinwissen kann man das erahnen- nennt die Bezeichnung einer der Maschinen, mit der der Betrieb wohl hantiert. In dem Fall eine hochspezialisierte Maschine, die aus Kunststoffgranulat ein besonders feines Mehl zur Extrudierung produziert. Und dies ist nicht nötig, wenn ich aus PET-Granulat derbe Stücke wie Parkbänke oder ähnliches herstelle. Filigraner musste es sein, trockenes Granulat bedürfen und die Firma musste groß genug sein, um auch Aufträge für die Beschäftigung am Sonntag zu haben. Da gibt es nur noch drei in der Region.

Wir hatten also auch:

  • drei Adressen von möglichen Arbeitgebern
  • zudem war das Auto bekannt, in Farbe und Marke und Produkt

Ein weiterer Anhaltspunkt war für uns, dass er noch bei seinen Eltern wohnt, in einer ehemaligen Metzgerei. In Thüringen wie in Bayern sind diese in der Regel recht gut von außen zu erkennen, besonders dann wenn, wie in unserem Fall, dieses Haus noch nicht renoviert wurde. Kurz mal bei Google Earth geschaut zur Info und ab dafür.

Zu unseren Infos gesellte sich:

  • das ungefähre Aussehen des Hauses im Jahr 2005

Nun war nur noch eine Sache offen: er baut ein neues Haus. Auch hierzu gab es wieder nur spärliche Infos, in der Nähe eines Pferdestalles gelegen, außen noch nicht verputzt, fünf Garagen vor der Tür, dafür keinen Keller und nur einen einfachen Abzug auf dem Dach. Dies deshalb, weil in dem Haus nur ein Kachelofen zur zentralen Heizung verwendet wird. Na, wem es reicht. Dafür friert im Winter im Thüringer Wald das Wasser in der Garage ein. Verstehe ich nicht, ist aber wohl so.

Wieder für die Liste des zweiten Anlaufpunktes „Baustelle“:

  • im gleichen Ort
  • in der Nähe des Pferdestalles
  • fünf Garagen
  • Rohbau

Der Stall war leicht zu finden, die Adresse somit schnell notiert, es konnte los gehen.

Um fünfzehn Uhr sind wir aufgebrochen, das neue Navi-Handy wurde endlich mal getestet. Vorbei an den Stellen, die mir (ich hoffe, meine Schwester hat es nicht bemerkt) die Tränen in die Augen getrieben haben, durch Wälder, über Straßen mit Löchern und Flicken, die ich noch vor Wochen nicht ausgehalten hätte.

Das waren wir. Die Ortschaft ist ein hässlicher Ort mitten in der Wildnis, verkommen und teils noch ohne befestigte Bürgersteige. Das Elternhaus gepflegt und ein Bau wie erwartet. Auch den Neubau haben wir gefunden, natürlich war da niemand vor Ort.

Und bei der dritten Kunststofffirma sind wir dann auch fündig geworden, das Auto stand vor der Verwaltung. Meine Schwester war beruhigt, hatte sich der neue Freund doch eher komisch verhalten, aber offensichtlich die Wahrheit gesprochen. Warum sie ihn nicht einfach nach seinem Nachnamen und seine Adresse gefragt hat? Keine Ahnung. Mir hat es jedenfalls einen heiden Spaß gemacht im Internet zu surfen einen „sinnvolle“ Tagesaufgabe zu haben und als Krönung noch durch den Thüringer Wald kutschiert zu werden.

Heimwärts dann war die Stimmung etwas gelöster, meine Schwester hat versprochen, solche Aktionen nicht mehr nötig werden zu lassen und nicht immer gleich hinter jeder Absage eines Treffens einen Rückzieher des Partners zu vermuten. Ein bisschen verstehe ich das schon, weil sie in diesem Jahr zwei Mal schon herbe verletzt wurde. Auch, wenn ich in knapp 16 Jahren Ex-FrauDSL nicht eine Sekunde nachspioniert habe oder ihr misstraut habe. Wenn ich etwas in den letzten Monaten gelernt habe, dann, dass man reden, reden, reden soll. Auch wenn ich wie ein Esel in Fettnäpfchen trete und wie ein Elefant mit meinem Getrampel wieder alles einreiße: DAS bin ich. Ich bin so, wenn ich mich verändere, dann bin ich nicht mehr ich. Vielleicht kann mein Ex-Juwel auch irgendwann erkennen, dass ich halt so bin wie ich bin. Und nicht immer habe ich schwere Zeiten durchzumachen, die mich verändern. Aber, es kommt wie es kommt, ich kann daran nichts ändern. Naja, vielleicht würde ich gerne nicht mehr so wie heute im Auto meiner Schwester losheulen, wenn sie mich fragt, was mich denn so bedrückt. Wenn das jemand gesehen hätte, wie wir beide am Straßenrand standen und Produkte aus dem Hause Tempo eingeweicht haben, der hätte nur den Kopf geschüttelt. Meine Schwester aus Erleichterung, ich weil es halt so ist, wie es ist....

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