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Schlemmen in Zückshut - Der "Gasthof Rieneck"

Sonntag Abend, die Bude blinkt, die Buchhaltung ist erledigt, der Rekorder programmiert. Und nun? Einmal noch ein leckeres pfannengebratenes Schnitzel und Kartoffelsalat. Das Leben kann so einfach und so gut sein.

In Coburg gibt es sowas leider nicht mehr, bzw. ist nur schlecht zu erreichen. Ich schnappe das Auto, klemme mich hinter das Lenkrad und fahre gen Süden. Mal wieder. Ab von der A73, in Richtung kleine Dörfer wie Schwabthal geht es über die Landstraße. Nichts spricht mich an, die CD mit den Phil Collins 12"-Liedern läuft, die Bose-Anlage gibt ihr Bestes und ich gröle mir. Hilft beim Atmen, hält klar. So ziehe ich in Richtung Giechburg, hier war ich mit meinem Vater an seinem letzten Tag in Freiheit. Er trank ein letztes Bier, konnte nicht einmal mehr dieses bestellen. Ich aß zur Tasse Kaffee einen Käsekuchen, meine Mutter bekam einen Kakao mit Pflaumenkuchen. Zwei Jahre ist das nun schon her, vielleicht bekomme ich da ein Essen. Auf dem Weg dorthin fahre ich an dem Café vorbei, in dem ich mit Marlies einmal unter Rhododendren gesessen habe. Lange ist es her, dass wir da die Gemeinsamkeit genießen. Ich drehe den Phil Collins noch lauter, die Boxen sind kurz vor den Verzerren. So ists recht, schreit an gegen die Trauer, ihr Neodyme.

Die Auffahrt zur Giechburg ist auf halber Höhe gesperrt. Gesund haben wir damals eine gute halbe Stunde gebraucht, heute brauche ich nicht einmal mehr daran zu denken. Und wenn dort geschlossen ist? Wende, kehrt marsch!

Ich fahre durch Scheßlitz, denke an die Karin, den Esel, den die hatten, den Mann, der Diabeteskrank war, die Tochter und die Friesenpferde. Einmal waren wir dort zum Essen eingeladen, das war noch zu Zeiten, als es keine Navi gab. Ging auch, hat halt etwas länger gedauert. Ich bin heute auch mit ausgeschalteter Navi unterwegs, "tek yol devrim", wie der Türke sagt, heute mal kein Terror vom Elektrohelfer. Ich hoffe, ich erinnere den Spruch richtig. Nichts zu essen in Sicht, ein Lokal würde locken, der Parkplatz ist aber voll. Ich lasse mich treiben, niedrige Touren, dröhnende Bässe.

Nach Scheßlitz geht es auf die A73. Die Frage ist: nach Bamberg oder in Richtung Coburg? An der Ampel muss ich mich entscheiden, es ist nun bereits nach 19 Uhr. Also: zurück in Richtung Norden, ich entscheide mich für den Bad Staffelsteiner Raum. Bis mir unterwegs an der Ableitung "Breitengüßbach" einfällt, dass ich vor Jahren ein gutes Schnitzel mit Kartoffelsalat in Zückshut bekommen habe. Marlies´ ehemalige Arbeitskollegin hat uns damals den "Gasthof Rieneck" empfohlen. Günstig, gute Portionen, lecker und faire Preise.

Gut drei Kilometer von Breitengüßbach entfernt ist die Ortschaft. Zuletzt waren wir hier essen, als es Allerheiligen vor zwei Jahren war. Ich kann mich noch gut an die Grablichter erinnern, an die drückende Stimmung der kleinen Flammen nahe dem Wald im Nebel. Irgendwie war das gruselig. Heute bin ich alleine unterwegs und froh, dass der Feiertag nicht heute ist. Irrational, aber, was ist in meinem Leben noch rational? Eben....

Ich parke direkt an der Straße und klettere die sechs Stufen unter Mühen nach oben. Ich hätte auch im Hof parken können, den Hintereingang nehmen, welcher auch für Rollstuhlfahrer geeignet wäre. Ich will es mir nicht zu leicht machen, das Leben noch etwas spüren, auch wenn es unangenehm rückmeldet.

Im Lokal ist alles wie immer: als Auswärtiger wird man wie ein Alien angeglotzt. In meinem Fall wohl wie ein Alien, der in seiner Raumschiffkugel feststeckt. Direkt an der Bar nehme ich einen Zweiertisch, grüße die glotzende Familie am Tisch nebenan. Früher hätten mich diese Blicke gestört, jetzt nehme ich das gelassen hin, was interessiert mich noch, was Andere denken?

Die Bedienung erfragt meinen Getränkewunsch, ich gönne mit ein Spezi. Schön frisch, gut gekühlt. Die Kehle beruhigt sich, ist wohl leicht mitgenommen von etwa 100 km grölendem und befreiendem "Gesang". In der Karte stehen die Schnitzel, "Wiener Art" mit Pommes und gemischtem Salat. Einen Hinweis auf den Kartoffelsalat kann ich nirgends finden. Also: fragen. Die Bedienung sagt mir, dass es den natürlich noch gibt, steht doch bei den Schnitzeln. Früher hätte ich es darauf beruhen lassen, jetzt will ich es wissen. Ich zeige ihr die Karte, sage freundlich, dass da kein Kartoffelsalat mehr verzeichnet ist. Wir scherzen, sie ist leicht überrascht - und nimmt die Bestellung auf. 7,80 Euro sind etwas teurer als früher, hier würde ich auch für zehn Euro ein Schnitzel essen. Was solls, mitnehmen kann doch niemand was. Und wenn die Qualität passt, ist das doch ein sehr, sehr guter Preis.

Bekommen habe ich für das Geld zwei recht große Schnitzel aus dem Schwein, "Wiener Art", knusprig paniert, in der Pfanne gebraten.

Dazu gibt es den gewünschten fränkischen Kartoffelsalat, ohne Sahne oder Joghurt oder einem anderen Zusatz, der nur Geschmack schluckt und hohle Kalorien birgt. Frisch und gut abgestimmt. Kleines Schälchen extra, so weicht die Panierung nicht auf. Ja, liebe "hochgestochene" Gastronomie, SO muss es laufen, nicht die Umhüllung mit irgendwelchen Flüssigkeiten aufweichen.

Der Beilagensalat besteht aus einem Karotten-, einem Krautsalat, einem Gurkensalat und frischen Blattsalaten. Marlies würde dieser schmecken, da er mit Zuckerdressing angerichtet ist. Komischerweise schmeckt dieser mir heute auch.




Für die Fotos bzw. deren Qualität muss ich mich entschuldigen, die DSLR war mal wieder leer, die kleine "Speise"-Kamera ist bereits vererbt an die Schwester. So bleibt also nur eine unbefriedigende Abbildung von sehr guten Speisen zurück.

Das Lokal selbst ist einfach gehalten, auch die sanitären Anlagen. Aber, alles ebenerdig zu erreichen, sauber gehalten. Was will ich mehr. Ein zweites Spezi darf es heute auch noch sein, ist irgendwie auch schon egal. Ich bezahle mit(!) Trinkgeld nur 12 Euro. Nachgerechnet - ich habe mehr an Spritgeld verbraucht. Egal, wie es im Fernsehen manchmal heißt: "dabei ist alles".

Zurück auf die A73, Phil hat noch immer nicht gelernt, anständig in Zimmerlautstärke zu musizieren. Die Gänge fliegen in die Schaltgassen, ich über die leere Autobahn. Ich bin erstaunt, wie wenig Zeit vergeht, bis der letzte Gang in den Begrenzer dreht. Und Phil ist noch immer lauter als alles andere um mich herum. Flieg, kleiner Schwarzer, flieg. Freiheit spüren, auch wenn die Fernscheinwerfer wohl zu kurz strahlen bei dieser Geschwindigkeit. Schmetterlinge im Bauch bekomme ich trotzdem keine. Eher ein ziehen in der etwas zu schnell genommenen Linkskurve. Alles kein Problem, ich bin allein auf der Autobahn. Zwei LKW nebeneinander geben mir wenig später die Gelegenheit, die Stimmbänder von Phil und mir zu entspannen, jetzt darf die Sophie B. Hawkins ran. Kommod im Klang, ich klemme mich hinter einen LKW, immerhin fast 100 km/h schafft das Gespann. Etwas mehr Sicherheitsabstand als üblich, als es da feucht wird, wo keine Scheibenwischer für klare Sicht sorgen können. Das ziehen im Bauch kommt nicht vom Essen, eher ein wenig von Sehnsucht.

Abgebogen auf die B289 rieche ich es schon - Stroh, Holz. In Brand. Ich denke noch darüber nach, wer jetzt noch ein Lagerfeuer schürt, vermute eine Halloween-Part, als ich bei der Abfahrt nach Untersiemau einen Feuerschein sehe. Das Anwesen der Familie Angermüller in Großheirath steht in Vollbrand, es scheint die Scheune zu sein. Ich hoffe, dass das glimpflich ausgeht, rolle mit den maximal erlaubten 80 km/h weiter. Der Tempomat übernimmt die Arbeit des rechten Fußes, nichts los auf der B4, ich muss nicht schneller werden. Wer sollte mich auch hetzen?

Auf der Höhe von Niederfüllbach schaue ich nach rechts, überlege, was wäre, wenn Marlies damals das Geschäft übernommen hätte, in dem sie gearbeitet hat. Ob wir dann noch zusammen wären? Oder schon eher auseinander? Oder doch getrennt und mit wem zusammen? Sophie wird aufgefordert, lauter zu singen und nach ein paar Kilometern weiter komme ich zu Hause an. Home, sweet home? Eher nicht. Nur zu Hause.

www.gasthof-rieneck.de
 

Kommentare

  1. Es gibt doch in deiner Nähe ein Kochprofi geprüftes Lokal das Schnitzel aus der Pfanne anbietet,da kann doch dann auch der Salat aus dem Eimer kommen ::))

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  2. Hab´ wohl vergessen zu schreiben, dass es auch schmecken soll. Dann lieber 200 km einfacher Weg gefahren.

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  3. Sieht voll lecker aus, der Kartoffelsalat und der andere Salat *sabberundsofortaufderStellebeideshabenwill*.

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  4. brisy, komm vorbei und ich zeige Dir, wo es in Franken noch überall schmeckt. Und glaub´ mir, die Fotos kommen an die Realität nicht im Entferntesten heran.

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