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´n Träubchen, Täubchen?

Ich bin Franke, Einwohner einer Genussregion. Für mich gar DIE Genussregion. Oft schon habe ich von unseren tollen Produkten und den Einkaufsmöglichkeiten hier vor Ort und in der Umgebung geschwärmt. Fleisch, Gemüse, Obst, Backwaren, Spirituosen, Wein - und Bier. Letzteres ist in der "Hochgastronomie" eher ein Stiefkind. Und ich bin der Meinung, dass die Verfechter von Weinen, die nur diese und nichts anderes zu einem außergewöhnlichen Mahl ordern, Menschen sind, denen ein ums andere Ma(h)l ein besonderer Genuss entgeht.

Zugute halte ich der Genießerschaft, dass leider nur die großen Biere kredenzt werden. Groß nicht im Sinne von besonderen Produkten und Ergebnissen wie bei der Weinherstellung. Groß im Sinne von Uniformität durch Massenherstellung. Großbrauereien speziell im Süden und dann wieder im Norden der Republik sorgen dafür, dass nicht mehr individuell, eher möglichst dem Breitengeschmack komform gebraut wird. Eine Individualität bleibt dabei auf der Strecke. Was wiederum verständlich ist, muss eine Großbrauerei eben auch einen großen Absatz tätigen. Ist so.

Allein die Biersorten, die im Umkreis von etwa 50 km um Coburg herum noch in feinen und kleinen Brauereien hergestellt werden, sind in Individualität und Geschmack so unterschiedlich in Charakter und Ausprägung, wie es die Weine auch sind. Mir fällt das Bier der Brauerei Scharpf aus dem Sesslacher Kreis ein, das Ebensfelder Bier, der Metzgertrunk aus Ützing und viele, viele mehr. Ob kräftige ungespundete Biere oder eher die leichteren Pilssorten - alles dabei. Und hervorragend geeignet zum kochen, backen und zum Verzehr pur. Ob zum eher derben Wild oder zum feinen Spargel. Jede Zutat aus der Natur hat in unserer Gegend auch ein Bier, welches zum Geschmack passt. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Kunde sich gegenüber dem Wein bei einem guten Bier über Jahre hinweg an einer gleichbleibenden Qualität und einem stringenten Geschmack erfreuen kann. Bier korkt nicht, Bier lässt auch einmal einen größeren Genuss zu. Zudem ist es einfacher im Umgang, muss nicht atmen und schmeckt sogar aus der Flasche.

Sicher, auch - und besonders - der Wein hat seine Berechtigung im Lokal. Aber auch das Bier hat eine Chance verdient, sofern es nicht nach der Optik der Flasche oder für den Namen mit seiner besonderen Kreativität gekauft wird. Nach wie vor bin ich der Meinung, das gerade die Menschen, die gerne genießen, um so manches Erlebnis betrogen werden,

Und noch etwas nervt mich zusehends. Das unbedingte "aufpimpen"von Zutaten. Ganz vorne dran sind für mich die Weintrauben. Wer einmal durch einen Weinberg gelaufen ist, bei einem Winzer die einzelnen Rebsorten vor der Verarbeitung probieren durfte, der weiß um den Geschmack, der bereits in der Traube den Weg vorgibt.

Und was macht die Gastronomie, die sich nicht entblödet, dem Gast etwas vermeintlich Gutes zu tun? Sie lässt die Trauben in einer Gleichförmigkeit verschwinden, indem sie diese der Haut beraubt. Eine Weintraube muss knacken, wenn man darauf beißt. Dafür ist die Schale zuständig. Eine Weintraube hat ein feines Spiel zwischen der säuerlichen Schale und dem süßen Kern. Ist die Schale erst einmal weg, schmeckt jede Weintraube gleich. Wird ihrer Identität entführt. Und warum? Weil irgend ein Koch gemeint hat, mal wieder besonders kreativ zu werden, ohne groß nachzudenken. Vor über 10 Jahren haben Spitzenköche wie Witzigmann mit dieser Unsitte angefangen, die nun auch im Lokal vor Ort zu finden ist.

In meinen Augen ist dies eine ebensolche geschmackliche Freveltat, wie es das "umfruchten" ist. Umfruchten? Sagt Ihnen nichts? Na, dann schauen Sie doch mal auf Ihr ach so gesundes Müsli (Müesli für die Schweizer, denn die essen ja keine Mäuse ;-).Sind da z. B. Kirschen versprochen? Keine Angst, es sind auch welche drin. Aber, nicht alles, was rot leuchtet und nach Kirsche schmeckt, ist auch eine. Viel größer ist die Chance, dass Sie auf eine getrocknete Cranberry beißen, die für deutlich weniger Geld industriell einsetzbar ist. "Aber die schmecken doch ganze anders!" werden Sie sagen. Richtig. Und deshalb wird umgefruchtet. Zucker, Farbstoff, Aromen. Eine Behandlung, die aus einer Cranberry eine Kirsche macht. Klar, auch der Anteil von Kirsche und Cranberry wird auf der Packung angegeben. Vielleicht auch gelesen. Wer aber denkt noch daran, wenn er/sie sich über eine weitere Kirsche im Haferbrei freut?

Und warum all diese um weitere Gräueltaten an unseren guten Grundprodukten? Es lebe der Umsatz hoch, es lebe die Gewinnmaximierung noch höher. Hurra....

Kommentare

  1. Passt gut zu einem Artikel über Genfood, den ich gerade gelesen habe - einer Sorte Nahrung, der sich die Europäer bisher standhaft widersetzen. Ich sage dir, sie wird kommen, auch über Europa - eben genau aus den oben genannten Gründen.
    Um so wichtiger finde ich die Nischen (Slowfood, kleine Erzeuger, regionale Anbieter). Die machen zwar nicht das große Geschäft und sind auch nicht meine Hauptbezugsquelle (da fehlen mir die pekuniären Mittel), aber ich baue sie in meine Versorgung ein. Also zum Beispiel: wenn schon Fleisch, dann gutes. Gemüse gibt es auch beim Bauern nebenan. Erdbeeren sind im Juni reif ...

    BTW: Das Kind ist ja von Baden nach Franken gezogen und beklagt, dass sie ihren badischen Weißwein vermisst und dafür fünf Sorten lokale Biere hat - was nun wiederum den Mann freut. Ist halt für jeden was dabei. ;)

    Grüße! N.

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  2. Nelja, die Sache mit dem Genfood ist ja noch komplexer. Allein über die Schiene "Soja" haben wir alle ein gewisses Quantum an Genfood zu uns genommen. Sei es über den Umweg Rind (Futter) oder direkt. Und auch wer denkt, dass es beim Bauern immer "cleanes" Essen gibt, der irrt. Was ist mit den Kartoffeln, die von den Konzernen in den Markt gedrückt werden? Oder die Probepflanzungen von Genmais? Klar, wird streng überwacht. Und was ist mit den Bestäubern? Werden die am Rain abgeknallt?
    Wie immer werden wir da recht dumm gehalten.

    Na, badischen Weißwein kann man doch gut lagern, einfach welchen mitnehmen und im Keller kühl und trocken stapeln. Mach das mal mit Bier ;-)
    Gruß
    Holger

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  3. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass z.B. das Umfruchten billiger ist als ne normale Kirsche. Aber muss ja wohl... Noch viel paradoxer finde ich, dass unsere herrlichen Nordseekrabben zum Pulen über den halben Erdball transportiert werden. Und überhaupt - das ganze im- und exportieren. Was das an Umweltverschmutzung mit sich bringt ist enorm. Warum muss ich afrikanische Erdbeeren im Februar essen, wenn zwei Monate später hier die Erntezeit beginnt? Ist schon alles ziemlich verrückt finde ich.

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  4. brisy, das liegt doch an uns Konsumenten. Wenn wir es außerhalb der Saison nicht kaufen, dann wird es auch nicht angeboten. Schau doch mal, was die Discounter z. B. an Gemüse und Obst anbieten. Ein hoher Anteil an Exoten. Und viele heimische Gemüsesorten werden nicht einmal gelistet.

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  5. Genau, mir fehlen allerlei Rüben ...

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  6. Nelja, das meinte ich. Kaum Wintergemüse, dafür Zucchini und anderes Gerümpel. Ich mag diese matschigen Südgemüse nicht so sehr.

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  7. Klar liegt das am Konsumenten. Ich nehme mich da auch nicht aus, oft guck ich gar nicht nach, woher das Gemüse/Obst kommt, wenn ich so durch den Laden düs. Nur Erdbeeren würd ich beispielsweise niemals im Winter kaufen. Oder Grünkohl im Sommer.

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