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Am Leben festhalten

Ich sitze still an seinem Bett, halte ohne Worte seine kalte Hand, starre auf die Autobahn in der Ferne und hänge meinen Gedanken nach. Er drückt meine Hand mit einer Kraft, die man seinem ausgemergelten Körper nicht mehr zutrauen würde. So, als ob er das Leben festhalten möchte, sich im Leben hält. Ich denke daran, dass wir so viele Chancen gehabt hätten, zu reden, dass ich schon wieder dabei bin, einen wichtigen Menschen zu verlieren, den dritten in nur einem dreiviertel Jahr. Ich denke an die Fehler, die ich gemacht und zu spät erkannt habe. Ich will sie wieder gut machen, kann nur weiter seine Hand drücken, meine Oma kann ich nicht mehr fragen, die Liebe ist auch fort. Als ob er eine besondere Bindung zu mir hat und mir Mut zusprechen möchte, drückt er in dem Moment meine Hand so fest, dass es mich fast schmerzt. Als ob er sagen möchte, kämpfe um sie. Er weiß nicht, dass es zu spät ist. Zu spät, die Liebe wieder zu bekommen und zu spät mit ihm über so viele Dinge zu reden, die ungesagt blieben. Ich drücke weiter, mehr kann ich nicht mehr für ihn tun.

Kommentare

  1. Ach menno... in solchen Momenten denke ich immer, dass man eigenlich nichts ungesagt lassen sollte, wer weiß, ob man noch einmal die Gelegenheit bekommt. Ich drück dich mal dolle...

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  2. Meine Probleme/Sorgen treten da eigentlich zurück. Ich habe meine Misere ja selbst zu verantworten. Mein Vater aber ist krank, er ist es, der gedrückt werden muss. Auch wenn es jetzt zu spät ist, ich versuche nun, ihm einfach mit meiner Anwesenheit zu helfen. Viel zu spät, aber ich lerne halt nun einmal langsam. Männer sind starkt und reden nicht. Absoluter Blödsinn!! Vielleicht kommt der eine oder andere Leser hier darauf, dass man mit Reden viel Leid vermeiden kann. Dann hätte sich meines irgendwie trotzdem relativiert.

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  3. Du .....ich verstehe das sehr sehr gut und lasse für deinen Vater die allerbesten Wünsche da ..manchmal geschehen ja auch noch Wunder und ...ja so eben!

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  4. Danke, ich drücke seine Hand mal von Dir. Heute wurden wir wieder in die Klinik gerufen, mussten bekräfigen, dass wir an der PV festhalten.

    Zur Demenz und dem Alzheimer kommt nun auch noch Parkinson dazu. Er ist so tapfer!

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  5. Drück sie ganz fest ....ich leg meine ganze Kraft mit hinein !!! Ja ...tapfer sind sie ....unsere "alten" Indianer!

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  6. Weißt Du was? Ich würde trotzdem mit ihm reden. Sag ihm alles, was ungesagt geblieben ist. Ich glaube nämlich, dass er es vielleicht doch wahr nimmt, es nur nicht zeigen kann. Ich würds tun...
    Ziemlich lange überlege ich nun schon, ob ich weiter schreiben soll. Sagen, was ich denke. Ich trau mich nicht... *Gelöscht*

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  7. Mach ich ja. Immer dann, wenn ich alleine mit ihm bin. Meine Hoffnung ist aber, dass er von all dem nichts mehr mitbekommt. Am schlimmsten wäre für mich, wenn er seinen Zustand realisieren könnte. Dann ist mir der Gedanke, dass er nur noch eine am Leben gehaltene Hülle ist, angenehmer. Für Außenstehende ist es vielleicht unmöglich, was ich hier schreibe, aber ich denke nunmal mittlerweile so. Er wollte so nicht enden, hat das klar definiert.

    Wenn Du etwas von der Seele schreiben möchtest, sende doch eine Bloggernachricht. Weißt schon... Anderenfalls schreibe hier, ich weiß dann, dass ich es einsetzen kann. Ganz einfach :-) Und ALLES ist besser, als es zu verschweigen. Ich muss ja irgendwas aus dem ganzen Mist um mich herum gelernt haben ;-)

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  8. Nun gut, ob Du es freigibst musst Du selbst wissen. Ich hab wirklich ein kleines Problem damit das zu schreiben, weil ich nur erahnen kann, wie das als Angehöriger sein muss. Andererseits gehört nunmal auch der Tod zum Leben dazu, und offen darüber zu sprechen kann nicht falsch sein.
    Ich denke 1.) Er hätte nicht so "weiterleben" wollen, deswegen ja die PV. Nun frag ich mich, müsste die nicht schon längst greifen? Ich geb allerdings zu, dass ich nur rudimentäres Wissen darüber habe. Ich muss nur an einen früheren "Freund" denken, 61 war der glaub ich, dem haben sie dann (vor 4 Wochen) die künstliche Ernährung abgestellt. Was ich nicht weiß, ist der denn dann verhungert? Oder wurde nur der "natürliche" Prozess des Sterbens eingeleitet? Eigentlich nicht so wichtig, er wollte nicht mehr vegetieren, er wäre niemals wieder gesund geworden und so war es eine Farge der Zeit. Ich hätte an der Stelle der Familie genauso gehandelt. Und ich möchte, dass irgendwer den Mut hat so handeln, wenn es mir mal genauso gehen würde.
    2.) Du schreibst, er sei eine am Leben gehaltene Hülle. Wenn das so ist, warum? Warum hält man ihn noch künstlich am Leben? Denn, das ist doch der Sinn und Zweck einer PV, dass das Leben, oder besser, das Leid nicht unnötig verlängert wird.

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  9. 1. Nein, wollte er nicht. Drum sind wir auch heftig am überlegen, was wir machen. Weitere Schritte als die Ernährung durch die Magensonde werden wir nicht veranlassen. Definitiv nicht. Die Ernährung kam zu einem Zeitpunkt, als er noch besser beieinander war. Auch erst ein paar Tage her. Diese hat den Zweck, das für ihn sehr schmerzhafte und im ungünstigsten Fall wochen-/monatelange Verhungern zu stoppen. Sollte er akute Organsausfälle haben, wird es keine weiteren Schritte geben. Die behandelnden Ärzte sind informiert, halten sich auch an die Absprachen. Seine Vitalwerte sind im Moment noch wie die eines Mittvierzigers. Da spielt ihm der sportliche Körper nun einen Streich.

    2. Eben um das qualvolle Verhungern zu verhindern. Wir haben uns ausführlich an mehreren Stellen informiert, auch wenn er so nicht mehr viel mitbekommt, er hätte unsägliche Schmerzen. Das wollen und werden wir verhindern. Und wie auch bei eins: bei einem Nierenausfall etc. bei dem es relativ schmerzlos vonstatten geht, das Sterben, auch vertretbar schnell, wird es keine medizinische Unterstützung neben einer Schmerzlinderung geben.

    Ob wir das richtige tun? Wir hoffen es. Wissen werden wir es nie, denn er kann es nicht mehr mitteilen.

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  10. Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass ihr das Richtige tut. Ich habe nun hin und her überlegt, was es für Gegenargumente geben könnte, mir fallen keine ein.
    Ich habe großen Respekt vor euch.

    Liebe Grüße *wink*

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  11. Ach, wir wissen es selber nicht. Wir können da nur nach unserem Gefühl gehen. Wir hoffen halt, in seinem Sinn zu "arbeiten".

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