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Besuch bei einer Pilzzucht: Schmackhafte Gesellen aus dem Dunkel

Pilze von der Farm
Nicht von wüsten Räubern ist hier die Rede, sondern von Pilzen, die zur Not auch ohne Licht leben können, wie der Egerling. Doch beginnen wir von Anfang an. Es war einmal…… ein Hobby, welches zur Existenz wurde. Vor ungefähr sechs Jahren hat Thomas Kalb aus Neuses an den Eichen im Landkreis Coburg mit den Experimenten angefangen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich, Thomas Kalb meint mit einem Grinsen im Gesicht, dass „viel Geld die Itz heruntergeschwommen“ ist. Soll heissen: viel Lehrgeld wurde bezahlt, bis der Betrieb so gut florierte wie heute.  

Europas modernstes System
Durch Zufall haben wir kürzlich davon erfahren, dass auch bei uns, quasi vor den Toren Coburgs im Herzen Oberfrankens, Pilze zum Verkauf gezüchtet werden. Das Repertoire umfasst momentan weiße Champignons und auch Egerlinge, eine bräunliche Zuchtart. Und als Besonderheit werden in kleineren Mengen die sehr schmackhaften Austernpilze gezüchtet. Ein ausgeklügeltes System in zwei verschiedenen Räumen sorgt dafür, dass immer genug Pilze zur Verfügung stehen und auch nur so viel gezüchtet wird, wie der Markt momentan benötigt. Möglich ist dies durch das in Europa modernste System, welches auf Mobilität setzt. Dieses System funktioniert inZusammenarbeit mit einem der grössten Substratlieferanten Europas, der gut durchlüftete und mit Pilzmycel geimpfte Stahlboxen anliefert. Als Grund dient dabei eine Mischung aus Pferde- und Hühnermist, Stroh und Gips. Diese Mischung wird zuvor sterilisiert, um mögliche Keime und Schimmelpilzbefall auszuschliessen.  Bei 18° Raumtemperatur und ca. 85 % rel. Feuchtigkeit könnte ansonsten ein Grossteil der Ernte dem Schädling anheim fallen.

Sortenvielfalt und Kundenwünsche
Ungefähr 30 verschiedene Champignonsorten gibt es am Markt, wobei jede Region und teilweise auch jeder Pilzzüchter, auf eine Sorte spezialisiert ist. Angesagter Trendpilz  ist momentan der auch Portobello  oder bayerischer Paraplue genannte ausgereifte Egerling. Mit seinen sehr grossen Schirmen eignet er sich nach dem Entfernen des Fußes hervorragend als Grillpilz, der mit allen möglichen Füllungen versehen werden kann. Ein Egerling reift auch nach der Ernte nach, je älter er ist, desto dunkler wird der Schirm der Frucht. Überhaupt ist es so, dass der „Pilz in den Geschmack wächst“. Das bedeutet bei den Champignons, dass die sehr kleinen vergleichsweise eher wenig Geschmack haben, und dieser sich intensiviert, je länger die Pilze wachsen dürfen. 100 % Wachstum innerhalb von 24 Stunden ist dabei die Regel. Eine Welle – so nennt sich das Nachwachsstadium – benötigt ungefähr eine Woche zurNachzucht. Bis zu 18 Mal kann so ein Beet abgeerntet werden, die Firma Kalb jedoch beschränkt sich aus wirtschaftlichen Gründen auf eine dreimalige Ernte. Dies beugt auch möglichen Infektion durch Schimmelpilze von. Riesenchampignons sind dabei nur möglich, wenn, ähnlich wie beim Verschnitt von Pflanzen, die Konzentration auf einige wenige Pilze erfolgt, und bevorzugt ersten Welle, da zu diesem Zeitpunkt noch genügend Kraft in den Gebilden steckt. Diese sind dann natürlich etwas teurer, da ja weniger Ertrag durch die strenge Vorauslese erfolgt. Die zweite und die dritte Welle sind dann auch schon schwächer im Ertrag. 

Andere Sorten, andere Ansprüche
Während der Egerling zur Not auch ohne Licht bis zur Erntegrösse heranreift, ist der Austernpilz da schon etwas aufwändiger in der Zucht. Spezielle Substrate als Untergrund, täglich mindestens eine Beleuchtung über acht Stunden bei mindestens 400 Lux sind da noch recht leicht zu handhaben. Edlere Pilze, wie zum Beispiel der Steinpilz oder der Pfifferling, sind auch nach Jahren der intensiven Erforschung noch nicht kultivierbar. Da diese Pilze ausschliesslich arbeitszeitintensive Sammelpilze sind und bei uns in Deutschland unter Sammelverbot oder mindestens unter limitierter Sammelmenge stehen, kommen diese Sorten immer öfter aus Billiglohnländern wie der Ukraine oder gar China. Die Züchter untereinander gehen recht offen miteinander um, auf Fachtagungen werden immer wieder auch Geheimtipps oder neue Erkenntnisse ausgetauscht. So wird auch die Produktionsmenge und die Wachstumsgrösse über die Raumtemperatur und die Sauerstoffzufuhr geregelt, was von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich variiert.  

Kriterien der Wirtschaftlichkeit
Wurde früher das Substrat von jedem Pilzhof selbst angemischt und mit Mycel geimpft, so gibt es heute Firmen, die sich auf diese Arbeit spezialisiert haben. Die Boxen, in denen die Substrate geliefert werden, gehen regelmässig zum Befüller wieder zurück, werden dort desinfiziert und neu beschickt. Mit ebenfalls desinfizierter Substratmasse, die keimfrei ist. Diese Beladung der Beete erfolgt auch mit möglichst wenig Personal, Arbeitsgänge sind weitgehend automatisiert. Sollte der Pilzwirt einen Engpass haben oder einfach einen höheren Absatz verzeichnen, so kann von diesem Beschicker auch ein erntereifes Feld bestellt werden, sofern diese noch beim Hersteller am Lager stehen. Bei einigen Züchtern wird aber vor Ort noch eine Mischung aus Weiss- und Schwarztorf sowie ein kleiner Teil Lehm/Ton (zur Feuchtigkeitsspeicherung) aufgebracht. Bei der Firma Kalb sind diese allerdings schon fertig beschichtet, die Pilze wachsen umgehend. Bei einer Beschichtung mit der Deckschicht erst beim Züchter verzögert sich das Anwachsstadium nochmals um ca. 14 Tage. Die Geflechtknoten bilden sich dann auf dieser Oberfläche, gespeist und mit Nahrung versorgt durch das Geflecht im Unterbau.

Die Firma Kalb verfügt in den zwei Räumen über jeweils 16 „Metallbeete“, die jeweils ca. 2,8 m² gross sind. Je Quadratmeter müssen innerhalb der ca. vierwöchigen Standzeit mindestens 30 kg abfallen, um in die Wirtschaftlichkeit zu kommen. Erträge unter diesen Mengen erschweren die Kostendeckung immens. Alle zwei Wochen wird einer der beiden Räume komplett neu beschickt, damit die hohe Qualität und auch die Erntemenge auf den Bedarf abgestimmt ist. Während die Menge im ersten Raum abnimmt, steigt dieselbige imzweiten Raum an. Dabei sind auch die jeweils 16 „Beete“ in den Räumen nochmals verzögert aktiviert, damit nicht alle Pilze an einem Tag zur Reife gelangen. In grossen Fabriken wird dies nicht so gehandhabt, hier erfolgt die Ernte immer Raumweise von Montag bis ca. Mittwoch. Die Familie Kalb hat diesen Takt nicht, hier wird auch Sonntags „in die Pilze gegangen“, wenn diese auch ungleich leichter zu finden sind als vom Hobbysammler im Wald. Monatlich ungefähr 2.500 kg der leckeren Gesellen aus dem Torf gehen in den Verkauf, hauptsächlich an die ortsansässigen Grosshändler. Hier ist der kurze Weg zum Endverbraucher ein Plus in Sachen Qualität. Frische, die gegenüber Importpilzen mit weiten Transportwegen unschlagbar ist.
Übrigens, die Tunnelpilze, auch Höhlenpilze genannt, wie sie vor Jahren auf dem Markt kamen, haben sich als unwirtschaftlich erwiesen, nur noch selten ist diese Aufzuchtform überhaupt vorzufinden. Dabei wurden alte Tunnel und Höhlen zur Zucht hergenommen. 

Kundenwünsche können berücksichtigt werden
Sie gehen in den Markt und kaufen die Pilze, die Sie vorfinden. Eigentlich schon recht gut, aber nicht ideal. Die Familie Kalb erfüllt auch besondere Wünsche der Kunden, z. B. das entfernen der Füße, besondere Zuchtgrössen für panierte Pilze und für die Befüllung und was alles an Sonderarbeiten anfällt. Gelegentlich erhalten Sie in den Märkten auch Austernpilze, oft in Trauben, so nennt sich das am Fuß zusammenhängende Pilzbündel. Bei der Pilzzucht Kalb wird dieser schon entfernt, da der Genuss schon recht speziell ist, bedingt durch die sehr bissfesten Füße. Sind die Füße aber ab Erzeuger entfernt, dann spricht man von einer Blattvermarktung, die aufgrund des grösseren Verschnittes etwas teurer ist. Der Vorteil für den Verbraucher ist aber, dass der Abfall nicht erst mit eingekauft und bezahlt werden muss, auch das Entfernen übernimmt der Erzeuger mit fachgerechten Schnitten. Die Schnittflächen sollen übrigens gerade und nicht nach innen eingefallen sein. Je glatter und frischer die Schnittfläche ausschaut, desto kürzer ist die Ernte unterwegs. Dies ist ähnlich wie bei dem Spargel ein Qualitätsmerkmal. Und überlagerte Ware kann schnell zu einer Lebensmittelvergiftung führen. Verschimmelte Ware oder unappetitliche Pilze sowie Ware mit einer „schmierigen“ Oberfläche sollten Sie zuliebe Ihrer Gesundheit in den Abfall geben.


Champignons haben Absatzschwankungen
Vom Januar bis zu dem Beginn der Spargelzeit cirka Mitte Mai ist der Champignon eine gerne gesehene Zutat auf unseren Tellern. Sobald aber die Saisonstars wie Spargel, Bärlauch und später die eigenen Verwandten namens Pfifferlinge und Steinpilze erhältlich sind, macht der Pilzverkauf eine kleine Verschnaufpause, die Nachfrage lässt zugunsten der Saisonwaren leicht nach. Um dann vom Herbst bis zum 31.12. jedes Jahres wieder zur Hochsaison aufzulaufen. Und dann ab Neujahr erneut etwas schwächer nachgefragt zu werden. Bis dann langsam der Appetit auf die freundlichen Leckerbissen wieder ansteigt. 

Leckere Qualität direkt vom Hof
Im Falle der Pilzzucht Kalb haben wir uns ein Kilogramm am Tag vorher bestellt, um auch wirklich frische Pilze zu bekommen, die dann nur wenige Stunden vor unserem Besuch geerntet wurden. Nachdem wir von Herrn Kalb über die Besonderheiten und Unterschiede der Pilze aufgeklärt wurden, haben wir unseren Korb in Empfang genommen. Auch hier unterscheidet sich wieder etwas die Qualität: ein Pilz muss Luft bekommen. Verpackt in Folie beginnt er sehr schnell zu schwitzen und verdirbt. Der Preis für diese frischeste Ware liegt nur unwesentlich über dem der Discountmärkte, ist aber in der Qualität um Einiges höher anzusiedeln. Von den Exemplaren, die bereits auf der Heimfahrt im Rohzustand verspeist wurden, bis zu den Pilzen, die sich am Abend in einer Frischkäsesauce um Lendenschnittchen herum wiederfanden, hatten diese ein Aroma, wie sie die ein paar Tage vorher geernteten Marktkollegen nicht mehr vorzuweisen haben. Wer also die Möglichkeit hat, einmal direkt auf einem Pilzhof einzukaufen, der sollte diese nutzen. Aber Achtung: einmal probiert, werden Sie beim nächsten Kauf im Markt enttäuscht sein. 


Für Neugierige und Abnehmer möchten wir natürlich nicht die Adresse unterschlagen:
Pilzzucht Kalb
Kehrlesgasse 16
D-96269 Neuses a. d. Eichen
Telefon: 09569/1541
Mobil: 0171/8923218
eMail: coburg@top-fun.net
Bilder: PeterThai
Text: DerSilberneLoeffel

Neu, ein TV-Bericht auf I-TV:
http://www.itv-coburg.de/itv/show.php?we_objectID=4767&media=m

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