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Küchenzeit - Früher und Heute

Manchmal lässt es sich trotz der vielen Maschinen in der Küche und er zwischenzeitlich koordinierten Schritte zum backen und kochen nicht vermeiden, dass etwas leere Zeit entsteht. Zeit, zum sinnieren. Und in dieser Woche eben darüber, wie wohl die Uroma die Zeit in der Küche verbracht hat.

Mein Ablauf ist ja so, dass ich an den Kühlschrank gehe, schaue, was an Zutaten da ist, spontan entscheide. Oder mich in ein Auto setze, zum nächsten Markt fast um die Ecke fahre und einkaufe, wonach mit der Sinn steht. Zuhause dann wird entweder der Backofen angestellt oder die Herdplatte genutzt, nicht ohne vorher den elektrischen Büchsenöffner, die Küchenmaschine, den Häcksler, den Zauberstab, die Kaffeemaschine, den Wasserkocher, die Induktionsplatten, elektrisches Licht und im Extremfall auch noch die Mikrowelle genutzt zu haben. So schrumpft der Zeitaufwand für ein Essen in der Regel auf unter einer Stunde. Die anteilige Zeit für den Einkauf der Rohwaren mit eingerechnet.

Schauen wir doch einfach mal, was die Uroma in Berlin so getrieben hat um die Jahrhundertwende in das 20. Jahrhundert. Da galt es, nicht einen Singlehaushalt wie meinen zu führen und zu organisieren, da war Schwerstarbeit für die Familie angesagt. Der Mann, die drei Kinder und zwei Enkel waren da mindestens zu versorgen.


Der Tag beginnt schon früh, weil es kalt in der Wohnung ist. Meine Isolierverglasung und üppige 36er Außenwände halten auch im Winter die Wärme in der Wohnung, während die dünnen Wände und die Einfachverglasung die Wohnung der Oma bis nur noch knapp über dem Gefrierpunkt hat auskühlen lassen. Wenn ich kalte Füße habe, dann nehme ich einfach die kleine elektrische Heizdecke her und habe mit einem Klick eine Wärmequelle. Die Oma muss an den Schürofen, die dort bereit liegenden Backsteine in Zeitungspapier wickeln und dann in das Bett bringen. Einen Regler haben diese Backsteine nicht, am Anfang verbrennt man sich fast die Fußsohlen, gegen Ende der Nacht sich diese kalt wie die restliche Wohnung.

Zeit aufzustehen. Mein Wecker geht elektrisch, nach der Atomzeituhr gestellt. Somit reicht ein auspacken, Stecker rein, Weckzeit und Wecktage wählen - fertig! Die Oma aber musste am Vorabend daran denken, den Wecker aufzuziehen und den Weckmechanismus zu aktivieren. Passt die Zeit? Auch die Weckzeit?

Raus aus den Federn, ich schimpfe über die kühlen Fließen im Flur, die an den Füßen recht kalt sind. Bis auf die Stellen, an denen die Rohrleitungen für die Heizung verlegt wurden. Nach über 20 Jahren in dieser Wohnung kenne ich die Stellen und hüpfe wie ein Frosch Richtung Wärmeinsel Badezimmer. Meine Oma schimpft auch, aber nicht über die kalten Fließen, sondern weil der Ehegatte am Vorabend nicht die Asche aus dem Ofen im Bad genommen hat, sie jetzt erst entsorgen muss, bevor sie anschüren und für zumindest warmes Wasser sorgen kann. Die kalten Fließen auch im Bad, welche bei mir durch die Bodenzusatzheizung zumindest mollig warm sind, bemerkt sie nicht. Schließlich sind die auch nicht kälter als die Umgebung.

Ich drehe am Wasserhahn, stelle den Mischer auf die Temperatur ein, die mir gefällt und diese wird dank der Bimetalle auch gehalten. Kein überraschendes wärmer oder kälter. Mein Problem unter der Dusche: welches Duschgel. Das einfache aus dem Discounter oder das Gute von Davidoff? Die Oma legt währenddessen die Schmierseife zurecht, während sich die Badewanne langsam mit mäßig warmen Wasser füllt. Holz ist teuer, so wird nur das Nötigste an Wärme produziert. Meine Handtücher sind flauschig weich, eine neue Mischung aus der Forschung, wurden in der Waschmaschine und dem Trockner genau so zurecht gemacht, wie ich es wünsche. Sauber und frisch. Bei der Oma hängen einfache Tücher aus Leinen, rau und derb, schon abgenutzt.

Weiter geht es an das Waschbecken, die elektrische Zahnbürste und der Föhn machen ihre Arbeit, wieder die Qual, welches Deo es heute sein sollte. Die Bürste ist antistatisch und sorgt dafür, dass die Haare auch da liegen bleiben, wohin ich sie kämme.In Berlin wird währenddessen das erste Kind abgetrocknet, das nächste steigt in das gleiche Wasser, etwas warmes Wasser wird nachgekippt, der Raum wird durch die Abwärme vom Ofen langsam wärmer. Ich drehe die Heizung etwas herab, schließe den Lamellenrollo nach der Stoßlüftung, um tagsüber weniger Energie zu verbrauchen. Berlin kämmt sich mit einer Holzbürste und Schweineborsten, die gute Bürste gibt es nur an Feiertagen. Mit kaltem Wasser wird die Zahncreme ausgespült,welche keine Geschmackszusätze hat, nur einfache Schleifmittel. Die Haare trocknen derweil an der Luft. Meinen Bart habe ich mit dem Langhaarschneider gestutzt, den restlichen Bart mit dem Rasierapparat der neuesten Generation mit neuen versiegelten Klingen abrasiert. Der Opa hat den Rasierpinsel in der Hand. Während er noch den Schaum aufbringt und sein Rasiermesser am Lederriemen abzieht, bin ich schon auf dem Weg in die warme Küche.

Zeit, sich einen Kaffee zu nehmen. Wasser ist im Tank, der Versandshop hat geliefert. Und trotz der fünf Sorten Kaffee und vier Sorten Tee, drei verschiedenen Kakaoarten - ich hätte mal Lust auf was Neues. Ich schnappe mir eine Kapsel, schäume Milch, mit der nächsten wird ein Kakaokonzentrat verlängert und erwärmt. Ein perfekt und immer gleich schmeckender Kakao schwappt in meinem Thermobecher, welcher das Getränk über die nächsten Stunden schön warm hält. In der Hauptstadt der Republik schleicht die Oma in die Küche, während die große Enkelin den kleinen Bruder aus der Wanne holt und abtrocknet. Langsam kommt der einzige Ofen in der Wohnung - neben dem Wasserbereiter im Bad - auf Touren, die Eisblumen an den Fensterinnenseiten verschwinden langsam. Ich schaue dem Tanz der Schneeflocken auf der Straße zu, während der Bauhof mit seiner Neuerwerbung die Straße reinigt, damit ich nachher sicher fahren kann. Bei Oma und Opa pfeift der Wasserkessel während ich den Laptop hochfahre, um nachher die Neuigkeiten aus aller Welt zu erfahren. Die Berliner mahlen ein paar Bohnen Kaffee und geben diese in den Dauerfilter. Nachdem der Kessel endlich Signal gibt, wird in Schwallbrühweise Wasser zugegeben. Auf dem Weg in die einfache Kanne kühlt die Flüssigkeit schon ab. Die Oma schneidet für jeden eine dicke Scheibe vom Hefezopf, den sie selbst gebacken hat. Bei mir tauen derweil die Butterhörnchen im Backofen auf. Eine aufgetaute Butter würde sich die Oma auch wünschen, einen Kühlschrank hat sie leider nicht, so lagert im Winter verderbliche Ware draußen. Zwei Fensterbretter reichen vollkommen aus, mehr gibt es nicht zu lagern. Während ich den Flocken zusehe, träume ich vom amerikanischen Kühlschrank, den mit dem Kaltgetränkspender und dem Eiswürfelbereiter.

Ich schleiche mit Kakao und Hörnchen bewaffnet an den Tisch, rufe Emails und Tagesneuheiten ab. Bei der Oma klopft es an der Tür, die Nachbarin trägt den neuesten Klatsch aus der Straße zu ihr, Nachrichten von weiter weg dauern auch länger. Mittag wird Opa dann die Zeitung holen, in der das Geschehen der letzten Woche bekannt gegeben wird. Ich ärgere mich darüber, dass das Update der Newsseite nichts Neues bringt. Sekundengenau informiere ich mich über die Aktienkurse, rufe eine Webcam im Urlaubsort auf und checke das zu erwartende Wetter. Oma schaut derweil zum Fenster raus und versucht die Wolken zu deuten.

Im Flur stehen meine neuen Winterstiefel, diese sind aus Hightech-Material und können direkt an die Steckdose angeschlossen werden. Warm und trocken warten die auf mich und meinen wind- und wetterfesten Anorak. Bis minus 50° soll dieser warm halten, hat Teflonbeschichtung, damit kein Staub und Wasser auf der Oberfläche bleibt. Die Handschuhe bemerke ich fast nicht, so schmiegen diese sich an meine Hände. Auch ein neues Material, nur wenige Millimeter dick. Ein Traum. Oma nimmt sich den Lodenmantel, den sie nun auch schon ein paar Jahre trägt. Der Filz schützt sie zwar Anfangs gegen Wind und Wasser, aber irgendwann wird es auch in diesem dicken und schweren Kleidungsstück ungemütlich. Fingerhandschuhe hätte sie gerne, leider müssen aber die dicken Fäustlinge mit Watteinlett ausreichen, das Geld langt nicht für Bessere.

Mit einem Klick auf die Fernbedienung geht das Rolltor hoch, dank der Garage am Haus ist das Auto frei von Frost und Schnee, die Fahrt kann beginnen, die Sitzheizung sorgt für mollige Wärme am Hinterteil, die Klimaanlage für eine freie Sicht, ohne Beschlag. Ich bin froh, die neuen Winterreifen gekauft zu haben, diese greifen abseits der geräumten Straßen hervorragend. Oma geht im Kopf die Liste durch, was sie besorgen muss zwei Straßen weiter. Das Fahrrad hat trotz Unterstand etwas vom Eisregen abbekommen, ist zusammengefroren. Liebevolles Klopfen sorgt für eine gewisse Einsatzbereitschaft, nur die Bremsen funktionieren noch nicht so, wie sie sollen. Aber das ist egal, die Straßen sind so voller Schnee, dass ein Fahren kaum möglich ist. Der Sattel ist schmal und unbequem, aber der abnehmbare Fellaufsatz hat sich gelohnt.

Beim Discounter stehe ich schon vor der Auswahl der Südfrüchte, die mir teilweise per Flugzeug zugebracht werden. Die Bananen sehen nicht mehr so gut aus, die Äpfel sind nicht meine Lieblingssorte. Ich nehme im Winter also Erdbeeren mit und frische Tomaten. Zwiebeln aus Israel und kleine Kartoffeln aus Peru. Dumm, dass die festkochenden nicht mehr vorrätig sind, ich nehme die zweite Sorte, allerdings nicht im Singlepack, 2,5 Kilogramm sind drin. Oma kommt bei den Kolonialwaren an. Ein Päckchen Seife und etwas Natron, mehr ist nicht drin. Beim Metzger nebenan schaut es ähnlich aus. Rippen wandern in den Einkaufskorb, bevor es eine Straße weiter geht. Da ist der einzige Gärtner in der Gegend, der noch frisches Gemüse hat. Ein paar gelbe Rüben, ein Krautkopf und eine Handvoll Kartoffeln, gelagert in der Miete, lassen sie lächeln. Sie hat Glück gehabt, dass sie nicht wieder nur auf Steckrüben zurückgreifen musste. In Gedanken freut sie sich auf den Krauttopf, das wird ein Festessen.

Derweil schiebe ich meinen Wagen vorbei an den Leckerein, in Richtung SB-Fleischtheke. Die Schnitzel sind im Angebot, sehen aber sehr blass aus. Cordon-Bleu in Bratfertigversion? Nicht schon wieder. Goulasch hatte ich auch erst. Lende gibt es reichlich, aber - nein danke. Weiter in Gedanken geht es nun zu den Fertiggerichten. Ich entscheide mich für die Beutel von Frosta, die ohne Zusatzstoffe. Ein Griff in das Hygieneregal, dreilagiges Toilettenpapier, die extra saugfesten Küchentücher und das neue Spülmittel mit Oberflächenversiegelung. Auch der neue Raumluftautomat spricht mich an, das neue Steindesign wird den klobigen Sprüher ersetzen. Ich ärgere mich darüber, dass dafür noch immer Batterien verwendet werden, würde mir Solarzellen wünschen.

Die Lieblingscola eingepackt, ein Importbier und die neue Tageszeitung wandern auch in den Korb. Ab an die Kasse, "Bitte aufrunden", die Waren im umweltfreundlichen Jutebeutel verstaut, die Oma kämpft derweil mit den Platzproblemen in den kältestarren Ledersatteltaschen. Zurück im noch molligen Innenraum merke ich, dass ich heute doch recht schnell war. Zeit, noch einen Kaffee im Café zu nehmen, dazu vielleicht ein kleiner Snack. Die Konditorin bietet mir eine neue Errungenschaft an, ein Backwerk, welches aus besonderem Mehl, neuartiger Hefe aus der aufwändigen Forschung und besten Körnern hergestellt wird. Dazu Biobutter und ein vegetarischer, politisch korrekter Käseersatz als Auflage. Aus aller Welt kommen die Ingredienzien. Ein lockeres Plaudern vertreibt mir die Zeit, während Berlin in Eile ist.

Ich zahle und fahre nach Hause. Wieder ein Email-Check, der 52"-Flachbildschirm läuft nebenbei, dudelt und wird als Radio mißbraucht. Einer der fast 300 möglichen Kanäle spielt brauchbare Musik ohne Unterbrechungen. Berlin schaltet zum Festmahl den Weltempfänger an, BBC und RIAS stehen zur Auswahl. Der Ofen in der Küche bekommt noch einen Scheit Buchenholz, der Topf mit Wasser steht schon bereit, mit dem alten Messer werden die Zutaten zerkleinert, Salz und Pfeffer stehen bereit zum würzen, ein paar Kräuter liegen noch da, wurden im Herbst geernet und haltbar gemacht. Opa ist zum Frühschoppen in die Bierhalle, ich ruhe derweil ein wenig auf dem Sofa im Wohnzimmer. Währenddessen werden die Enkel ermahnt, aus der guten Stube zu verschwinden und die Schutzlaken wieder aufzuziehen.

10 Minuten vor Mittag gehe ich in die Küche, nehme etwas Wasser aus dem Hahn, stelle den FISKARS-Topf auf die Induktion und erhitze in wenigen Augenblicken das reine Nass, welches mir in normierten und unbedenklichen Leitungen zur Verfügung geliefert wird. Die Tüte mit dem gefrorenen Inhalt gebe ich zu und rühre ein paar Mal um. Seefisch, italienische Nudeln, exotische Gemüse und eine Melange an Gewürzen aus der Ferne erfüllen die Raumluft. Die Beschichtung sorgt dafür, dass nichts anbrennt und in Windeseile gart.

Oma hat eine Art Brühe aus den Rippchen und Salz und Pfeffer bereitet, ein kleiner Löffel Schweineschmalz extra dazu. Kartoffeln, gelbe Rüben und der Kohl werden ebenfalls zugegeben, mit den Kräutern abgeschmeckt. Ich sitze am Tisch und essen nebenbei, nichts Besonderes auf dem Tisch, alltägliche Nahrung. Die Enkel freuen sich derweil über die kleine Portion Fleisch, bei der Oma gibt es diese Leckerei, die zu Hause nur sehr selten auf den Tisch kommt. Gegessen wir in der Küche, ich sitze in einem Raum, der nur für die Speiseaufnahme gebaut wurde - dem Esszimmer. WLAN sorgt dafür, dass ich in jedem Raum online bin. Opa liest die Zeitung und ist erstaunt über die Dinge, die vor zwei Wochen im fernen Amerika vor sich gingen.

Ich bin ein wenig müde vom Tagesstress, der Opa geht in den Keller um Holz zu spalten. Ich ruhe mich aus, auf der Couch wird es schnell kühl, ein Dreh am Thermostat sollte da Abhilfe schaffen. Die Oma holt derweil die Wäscherumpel und den Trog in die Küche, mittels Brunnenwasser und der Restglut wird ein Waschwasser hergestellt, Schmierseife und Bleichmittel werden den Sonntagsstaat auf Vordermann bringen. Während ich vor mich hinschlummere, arbeitet im Keller die Waschmaschine für mich. Buntwäsche ist dran, mit dem neuen Mittel bleibt diese auch in der Kondition, in der sie ausgeliefert wurde. Ein Spritzer Weichspüler mach aus der Kunstfaser eine kuschelweiche Kleidung.

Der Haufen im Keller des Opas wächst, trotz der Kälte rinnt ihm der Schweiß, gegen Nachmittag habe ich ausgeschlafen. Er muss aufhören, weil die Sonne um das Haus wandert und es im Verließ zu dunkel wird. Beide genießen wir einen Kaffee. Meiner frisch aus der Maschine, eine kräftige Mischung aus Brasilien, seiner ist der Rest aus der Kanne vom Morgen. Im Café habe ich am Morgen eine "Sambaschnitte" mitgenommen, ein lockerer Kuchen mit Johannisbeeren, Mandarinen, Schoko- und hellem Teig, darüber Kokosraspeln. Der Opa freut sich über das trockene Stück Gugelhupf, die Oma konnte ein wenig Schmalz erübrigen. Schließlich kommen die Enkel von weit her, müssen mit dem Zug durch halb Deutschland fahren. Mir steht die Lust derweil nach "Abenteuer", ich fahre mit dem Auto mal eben in das Skiegebiet, keine 70 km von mir entfernt. Eine gute Autostunde, mehr ist das nicht. Vor Ort trinke ich einen alkoholfreien Punsch und freue mich darüber, dass die Piste prima präpariert und von hellen Strahlern beleuchtet wird. Neben der Piste produzieren Hochleistungsgebläse Schnee für die nächsten Tage, hier wird auf Vorrat produziert.

Opa hat sich an der Schüssel gewaschen, diese steht immer in der Diele bereit. Müde versammelt sich die Familie um den Tisch in der Küche, es gibt ein frisches Brot, etwas vom sauer eingelegten Gemüse und ein klein wenig vom guten Schinken, den die Enkel so gerne mögen. Brotzeit mag ich heute nicht, somit halte ich beim FastFooder mit den goldenen Bögen an. Aussteigen muss ich nicht, ich halte am Drive-In, ordere Burger, Cola und Pommes, dazu einen Muffin und eine Apfeltasche. Alles perfekt zubereitet, in ganz Deutschland schmeckt diese Ware gleich. Ich esse im Auto, aus dem Radio kommt Pop aus den 90ern, der Rücken wird fein gewärmt. Der Nachhauseweg ist schnell erledigt, die Straßen sind frei und geräumt, die Sicht ist dank der neu entwickelten Glühlampen in den Frontscheinwerfern noch besser, die insgesamt acht Airbags im Auto und das ABS sowie die Fahrassistenzsysteme geben zusätzlich das Gefühl, sicher zu sitzen. Ich muss nur noch die Grundaufgaben des Autofahrens beherrschen und komme entspannt zu Hause an. Opa erzählt Oma von seinem Traum, einem der Automobile, die langsam an der Zahl zunehmen. Einige dieser Fahrzeuge sollen sogar schon Geschwindigkeiten erreichen, die der eines guten Pferdes entsprechen. Aber noch fehlt das Geld dafür, andere Dinge fehlen mehr.


Die Enkel liegen bereits im Bett, als die Oma wieder die Steine an die Füße legt, den Kindern über die Stirn streicht und ihnen eine kleine Geschichte aus dem Buch der Gebrüder Grimm vorliest. Gebannt hören die Kinder der Geschichte zu, während ich mich zur gleichen Zeit vor dem Fernseher langweile. Ich habe so viele Kanäle, kann zwischen Shoppingsendern, Spartensendern, den ÖR und den Privaten wählen. Ich bleibe bei einer Reportage über das Leben in den frühen Zeiten der Industriealisierung hängen, schalte nach kurzer Zeit weg, weil es mich nicht interessiert, wie meine Vorfahren noch vor nicht allzu langer Zeit gelebt haben.

Ich gehe nun in das Bett, ziehe meine leichte Winterdecke zum Kinn und drehe mich auf die Seite. Ich habe einen Tag verbracht, die Annehmlichkeiten der Industrie und der Forschung genossen. Oma und Opa gehen in ihr kaltes Schlafzimmer, kuscheln sich aufgrund der Kälte noch näher aneinander und schlafen ein. Erfüllt und müde.


Kommentare

  1. Erstaunlich nicht wahr? Ich liebe diese moderne Welt!
    Schallplatten, Plattenspieler und Kassettenrekorder, das alles kennt mein Jüngster gar nicht.
    LG

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  2. Ich habe auch manchmal das Gefühl, zwischen zwei Generationen zu sitzen. Einerseits kennen wir noch die analoge Welt, andererseits aber auch schon die schnelle digitale Gegenwart. Missen möchte ich beide Seiten nicht, aber zurück in die Zeit ohne die Dinge, die wir uns heutzutage geschaffen haben, möchte ich auch nicht. So ein Zwischending, eine langsame digitale Welt, das wäre schön.

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  3. Ich glaub ich bin ein Zwischending. Ich hab ne Aversion gegen allzu viele Dinge mit Steckern am Ende. Ich besitze weder einen elektrischen Dosenöffner noch ein ebensolches Messer. Einen Fön gibt es in unserem Haushalt, den benutze ich aber nur im alleräussersten Notfall, wenn a) entweder die Zeit zuuuu knapp ist und ich einen Termin habe oder b) die Haare im Winter andernfalls den Kältetod sterben würden. Also maximal 2 Mal im Jahr. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass die Hitze nich gut sein kann fürs Haupthaar. Weiterhin besitze ich kein Handy und das ist auch gut so. Weichspüler lehne ich prinzipiell ab, die verschmutzen unnötig das Wasser und diese flauschigen Handtücher trocknen nicht richtig. Also mich. Ich mag das raue Rubbeln. Ein Auto habe ich auch nicht, dafür bin ich grad dabei, immer mehr an Fahrradreparaturen zu erlernen. Learning by doing sozusagen. Macht mich ein wenig stolz. Auf das Inet möchte ich andererseits nicht mehr verzichten (wo sonst könnte ich täglich meinen Senf dazu geben? ;-)). Eine Küchenmaschine hab ich auch nicht (und vermisse sie auch nicht), genauso wie ich auch noch nie einen Wäschetrockner besessen habe. Sinnlose Energieverschwendung, find ich.

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    1. Du sitzt zwischen den Welten? Jeder wie er mag,ich mag elektrisch. Wenigstens eine Freude braucht Mann doch... ;-)

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  4. Ist ja auch völlig okay so. Jeder so, wie er mag. Sag ich auch immer.

    Was macht denn der Skarabäus da vor deinem Namen *nach oben zeig*? Mach sofort den dicken Mann da wieder hin, der ist doch so niedlich ;-)

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    1. Der ist weg, ich fand den so traurig...
      Tempora mutantur, nos et mutamur in illis

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  5. Tempora - was? Gesundheit! Ich hoffe, es ist nichts Ansteckendes ;-).

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  6. Grob übersetzt: Es wandelt sich die Zeit und wir uns in ihr. Soweit ich das noch im Gedächtnis habe. War ja nur auf der Baumschule, müsste googeln.

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  7. Wir sind ganz schöne Weicheier, denke ich mir da immer wieder. Schön geschrieben, gefällt mir.

    Es tut schon gut, mal wieder über das Leben früherer Generationen nachzudenken. Ob wir mit all unserem Wissen und Luxus glücklicher oder zufriedener sind?

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  8. Danke! Naja, wir haben halt ein paar Schritte der Evolution abgenommen. Wir haben geistig enorme Fortschritte gemacht, anders wäre das Pensum gar nicht zu schaffen. Wo sollten wir sonst die Zeit für den Urlaub, das Hobby und das Weggehen am Abend hernehmen? Die Maschinen sparen und Zeit ein, die wir eben für weitere Tätigkeiten nutzen können.

    Glücklicher und zufriedener? Meine Oma ist vor zwei Jahren mit über 100 Jahren gestorben, die war nicht glücklich darüber, welchen Druck wir in Schule, Arbeit und Gesellschaft haben. Aber wir kennen es nicht anders. Das, was wir heute mit 40, 50, 0 Jahren wissen, wird in unsere Kinder mit ca. 16 Jahren hineingestopft. Und eine Generation weiter wird es noch schlimmer. Ich bin über 40, wandle zwischen analog und digital, wie ich es beschrieben habe. Wie viele der Kinder müssen aber das analoge Leben schon streichen, um digital fit zu sein?

    Ich denke, dies wird über kurz oder lang darin enden, dass die Menschen sich schon viel früher spezialisieren müssen, um zumindest auf einem Gebiet gut zu sein. Universelles Wissen wie vor Jahrhunderten oder ansatzweise wie heute, wird nur noch schwer zu erwerben sein. Bleiben wir neugierig....

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