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Zwangshandlungen - Gefangene des Lebens

Bei uns in der Familie sind wohl die Zwangshandlungen ein genetisches Problem. Ich habe wenig Hintergrundwissen über diese Dinge, über die Zusammenhänge mit biochemischen Vorgängen im Körper. Ich weiß nur: es nervt!

Da hätten wir meine Tante. Seitdem ich denken kann, kommt sie an keinem Süßwarenregal vorbei, ohne die Tüten mit "Speck" zu drücken. Jede erreichbare und jedes Stückchen im Beutel. Ein Schaden bleibt natürlich nicht zurück, denn die Dinger entfalten sich wieder. Somit ein eher harmloser Tic.

Bei mir äußert sich das, indem ich -gekaufte- Waren drücke. Wie oft hat Marlies ein Twix aus dem Schrank genommen, welches in der Mitte gebrochen war. Oder hat plattgedrückte Schokohörnchen aus der Packung geholt. Klar, ganz sauber ist das nicht, aber ich muss dabei grinsen, es verursacht niemandem einen Schaden an Leib oder Leben. Also: egal.

Meine Mutter ist da schon einen Zacken härter drauf, was sie heute mal wieder bewiesen hat. In der Regel kommt sie zu mir und fragt, was man denn bei diesem oder jenem Problem machen kann. Und ebenso oft verspreche ich ihr, mich darum zu kümmern. Unter anderem stand also die Neuverlegung des Kabels der Sat-Schüssel an. Wie und warum auch immer, meine Mutter sieht wohl, dass sich meine Lippen bewegen - nur dringt der Inhalt dieser Schallwellen nur an das Außenohr. Ergebnis: eine verstellte Schüssel ("bitte zieh´ nicht am Kabel, das verrutscht die Position der Schüssel am Mast"- und was macht sie? Genau....). Der Kumpel ist bestellt zur endgültigen Ausrichtung, das Loch habe ich bereits in der letzten Woche gebohrt und den Kanal verlegt. Soll ja sauber aussehen.

Oder Punkt zwei. Wir haben rund um das Haus Bewegungsmelder, die ich kürzlich aufgrund der "bösen Frau" feiner, sprich schärfer eingestellt habe. Was bedeutet: der vorbeiziehende Igel bekommt den Weg fein ausgeleuchtet. Aber der geneigte Elstermensch kommt nicht in die Versuchung, eventuell nach nicht vorhandenem Tafelsilber zu suchen. Was macht aber meine Mutter, die angeblich 275 Mal in der Nacht vom anschaltenden Licht erwacht (welches noch dazu um das Eck leuchtet, nicht einmal in ihr Schlafzimmer fällt, welches von Rollos und seit Neuestem auch von Fensterläden(!) abgedunkelt wird)? Richtig, sie schnappt sich ein Küchenkrepp und klebt dieses mit Kreppband über den Sensor. Im Dauerregen ist natürlich kein dauerhafter Erfolg gegeben. Aber, das mit dem Denken ist so eine Sache, die wohl irgendwie auch mit der Bereitschaft zu lernen zusammen hängt.

Und Punkt Nummer drei. Unser Rasentraktor hat einen Platz gefunden auf der Terrasse, die mit knapp 40 qm nicht die kleinste ist. Dieser steht im Eck, stört keinen Menschen und auch kein Tier, im Prinzip ist er da sehr gut aufgehoben. Würde der verständige Mensch so bestätigen. Aber, wenn Rappel, dann Rappel, Und heute hat es gerappelt.

Meine Mutter wusste bereits seit letzter Woche, dass ich heute einen Termin bei einer Bekannten habe, also am Nachmittag bis zum Abend nicht zu Hause wäre. "Hurra!" mag sie sich gedacht haben, "da mache ich mal Hüttenzauber und Schaden bis zum abwinken!" Sieht man mich heftig mit den Armen rudern? Ich winke ab.

Erstens: sie hat natürlich am Kabel gezogen, ihre Schüssel verstellt und, nachdem das Kabel am Ende war, den LNB abgerissen. Nicht einfach aus der Halterung, da ist der Ausleger geknickt. Andere Menschen könnten an diesen Dingern einen Suizid verüben, so stabil sind die. Normalerweise. Meine Mutter hat aber ihre Anlage komplett geschrottet. Und weil das nicht ausreicht, habe auch ich meine Strafe erhalten: auch an meiner Schüssel hat sie herumgerutscht, nachdem bei ihr kein Bild mehr angezeigt wurde. Klar, man hätte das Kabel einfach zurückverfolgen können, dabei wäre klar geworden, welche Schüssel ihre Signale empfängt. Die Stromversorgung erfolgt über eine Außensteckdose. Wichtig zu wissen. Ich habe also vorhin erst einmal in der Dunkelheit meine Schüssel wieder gerichtet. Dunkel deshalb, weil außenrum kein Strom mehr fließt. Warum? Dazu komme ich gleich.

Zweitens: am Bewegungsmelder musste das zerrupfte Küchenkrepp entfernt werden, da die feine Einstellung auch auf das im Wind wehende Tuch reagiert hat. Ein kurzer Ruck, das Tuch war ab. Soweit ist das in Ordnung. Dumm nur, dass der zweite Ruck am Klebeband auch gleich den Bewegungsmelder mit von der Wand entfernt hat. Das Ergebnis ist also ein offenes Kabel, welches mit Saft vom E-Werk versorgt wird und unablässig Strom liefert. Es sei denn, im Wind - oder beim Versuch, diese zusammenzufrickeln - kommen die Kabel zusammen. Auf die Idee, vorher die Sicherung zu drücken, kommt man nicht. Denn: warum zuhören, wenn man doch einen Sohn hat, der die Misserfolge korrigiert. Die Frau hat also Glück gehabt, dass sie nicht wie ein Weihnachtsbaum im Garten geglüht hat.

Drittens: der Rasentraktor muss JETZT weg. Schließlich hat sie jetzt Wut, weil zwei Dinge schon fehlgeschlagen sind. Und wenn der Fernseher nicht 24/7 verfügbar ist, dann legen die fehlenden Televisionsstrahlen im Wohnzimmer einen anderen Schalter um. Den Hyperaktivität-im-Alter-Schalter. Also: kein Licht im Haus, kein Fernsehen, keine Bewegungsmelder. Laaaaangweilig. Der Sohn ist schließlich nicht zu erreichen. Also muss der Rasentraktor dran glauben. Dass sie das Gerät noch nie gefahren, geschweige denn auch nur angelassen hat, ist dabei egal. Wie auch immer sie es geschafft hat (Zeit genug hatte sie ja), wurde wohl über eine lange Reihe an Versuch und Irrtum der Leerlauf gefunden und die Handbremse gelöst. Klar, bei knapp 120 cm Mähbreite kann kein Mensch mit normalen Beinen auf dem Gerät sitzen und gleichzeitig schieben. Also: neben den Mäher stellen, Lenkrad in die eine Hand, andere Hand an den Sitz und gib´ ihm. Scheinbar ist das auch gut 30 Meter gut gegangen, der schwere Traktor wurde sogar von ihr leicht bergauf bewegt. Auch hier liegt die Crux aber im zweiten Teil. Abgesehen davon, dass der nicht durch die Gartentür gepasst hätte, also in der Wiese im Eingangsbereich zum stehen gekommen wäre (na, wer hätte das Tor aushängen und den Traktor weiterschieben dürfen?), ging es im Garten jetzt leicht abschüssig weiter. Gut geschmiert, das Teil wurde schließlich im Herbst generalüberholt und ordentlich gefettet, rollt der Traktor nun wie von Geisterhand bergab. Den Vordrang stoppt nur eines: nicht meine Mutter, dafür aber einer der gut einen Meter hohen Lichtmasten im Garten, die in der Nacht sowieso nur gestört haben. Angeblich. Knickknack, war der ab. Ordentlich aus dem Boden gefräst, der Traktor hat das Ding - so wie ich die Spuren dann im Taschenlampenschein begutachten konnte - bis in ein Blumenbeet mitgezerrt. Und kam da zum Stehen.

Wie sie den Traktor da raus bekommen hat? Keine Ahnung. Aber leicht war das nicht. Eigentlich will ich es nicht wissen. Wirklich nicht. Auch hier hatte sie wieder Glück, dass bei einer ihrer vorherigen Aktionen der Strom schon ausgefallen war. Nicht auszudenken, wenn da noch die Leitung unter Spannung gestanden hätte und sie hätte den Traktor am Metallrahmen angefasst. Obwohl.... Lernprozess? Wer weiß.

Nun, glücklicherweise sind die Steckdosen und Stromversorgungen im Außenbereich vor Jahren auf eine Sicherung gelegt worden. Zusammen mit dem Keller. Das ist nicht so gut, hat sich heute gezeigt. Denn hier hängt auch die Heizung dran und das Warmwasser.

Morgen darf also der Elektriker antraben, den Bewegungsmelder ersetzen, den Mast wieder anschließen (hab schon neue Löcher gebohrt, der steht schon wieder als wäre nichts geschehen am Weg und die Sat-Anlage meiner Mutter ersetzen. Und wir dürfen hoffen, dass die Heizung nichts abbekommen hat. Das aber werden wir erst morgen sehen. Und uns auf den Hosenboden setzen, wenn die Rechnung vom Schaden kommt. Und alles nur, weil ich nicht da war. Tja, so sieht es zumindest meine Mutter. Ich bin schuld. Na sowas, das hätte ich nun nicht vermutet :-)

Kommentare

  1. Oh Mann... dazu fällt einem nicht viel ein...

    LG

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  2. Ich kanns auch nicht ändern, ein wenig grinsen muss ich schon bei der Vorstellung, wie sie da so nach und nach richtig aufräumt, sorry...

    Kuschel dich in ne Wolldecke, trink nen heißen Tee und mach den Kamin an. Alles wird gut *tätschel*

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  3. Meine Mutter hat Verbote. Viele. Das wichtigste: KEINE einzige Kerze mehr im Haus, nicht mal ein Teelicht - Ja, das Feuer war anständig damals. Aber auch Glück gehabt, sie hatte nur verbrannte Handflächen und ein paar angesengte Haare am Pony. Zum Glück passt mein Vater auf und für die restlichen Arbeiten wohnt mein Cousin nebenan. Denn ich, ich bin dauerhaft 500 km weit weg. Und das ist wirklich für alle Beteiligten gut so.
    Aber die Geschichte hätte ganz genau so auch von meiner Mutter stammen können. Ich kann dich also beruhigen, es hat nichts mit den Genen zu tun.

    Meine Kinder haben übrigens die Freigabe, dass sie ganz streng und zickig mit mir werden dürfen, sollte ich mich jemals auch nur ansatzweise in diese Richtung entwickeln.

    Grüße! N.

    PS: Leg dich in die Badewanne, trink einen schönen heißen Tee und verbring den Rest des Tages mit dicken Kuschelsocken im Bett. Das wärmt auf.

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  4. Bitte entschuldige, wenn ich trotz Deiner misslichen / kalten Lage ganz herzhaft gelacht habe. Die Geschichte liest sich, als hätte Loriot da das Copyright drauf ;-)
    Dein mitfühlender Allgäu Hans

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  5. brisy, so im Nachhinein muss ich ja auch grinsen. Vor allem bei der Aktion mit dem Rasentraktor. Kamin kaminiert...!

    Nelja, meine Mutter ist schon 70, da habe ich mehr Angst um sie als um Hab und Gut. Aber sie ist halt leider nicht zugänglich für gutes Zureden. Und - es muss immer GLEICH erledigt werden. *stöhn*
    Meine Schwester hat in der letzten Woche auch den Auftrag bekommen, mich wachzurütteln, wenn ich aus der Spur laufen sollte. Erst hat sie ungläubig geschaut, dann zugestimmt. Und ich muss das Gleich mit ihr tun. Quasi geschwisterliche Kontrolle. Und das mit dem Bad... Kannste knicken, denn heute früh hat die Heizung auf Fehler geschaltet, also gibt es auch kein warmes Wasser. Leider.

    Hans, es IST kalt hier! Aktuell habe ich in der Bude 12°, hoffe auf den Herrn Funkenschuster.

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  6. waaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa :-))))) !!!!! Nächstemal nimmste deine Frau Mutter am besten mit zu deinen Verabredungen ....*nochmal waah :-) *

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  7. Kroeti, dass läuft dann bei einem Date so:

    "äähmmm. Darf ich meine Mutter vorstellen?"
    "Deine MUTTER???"
    "Ja, ich will nachher noch wohnen...."

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  8. muhaaaaaaaaha ...GENIAL ...ich stells mir grad so vor :-)

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  9. *mitpruuuust* ähem, auch sorry, aber ich kann nich anders...

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  10. Der Elektromann hat auch gelacht. Vier Stunden Arbeit. Und meine Mutter hat nur fünf Minuten gebraucht, um einen Mann einen halben Tag zu beschäftigen. DAS ist effektiv!

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