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Selber schuld

Eigentlich weiß ich ja, wann die Post in etwa kommt. Plus/minus eine halbe Stunde. Und trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, die Tischdecke auszuschütteln. Was das miteinander zu tun hat?

HIER habe ich doch schon einmal über die Begegnung der anderen Art berichtet. Heute war das Bad dran, Grundreinigung und eben das Esszimmer. Die Tischdecke liegt erst seit zwei Tagen, nachdem ich seit Montag letzter Woche fast nichts gegessen habe, ist die auch nicht mit Flecken übersät. Nur ein Paar Krümel, die ich übersehen habe.

Was machen, wenn man gerade eben gesaugt und gewischt hat? Genau - ausschütteln. Aber nicht im Zimmer, sondern am offenen Fenster. Und wie da so die Tischdecke munter flattert ist es fast wie ein Ruf nach Aufsehen. Wäre nicht so schlimm, die paar Passanten in ihren Autos haben sicher schon Menschen gesehen, die irgendetwas am Fenster ausschütteln. Bei mir ist es eben die Tischdecke. Dumm nur, dass die gut vier Meter lang ist, damit der Tisch auch einigermaßen abgedeckt ist. Was also heißt: das Ding flattert im Wind wie eine Fahne.

Und wer fährt da genau in diesem Moment an der Nachbarin Briefkasten los? Ein kleiner Bus. Ich habe den nicht erkannt, hat er doch nicht die typische Farbe und den charakteristischen Klang. Mir fällt nur auf, dass der Fahrer fast an der Windschutzscheibe klebt und winkt. Und Zeichen macht. Elefantenesel wie ich bin, merke ich mal wieder NICHTS. Bis das Auto hält und ich auf dem Beifahrersitz gelbe Kisten sehe. Nun fällt der Groschen. DIE Postfrau. Wegrennen? Wohin... Als Zwillingsbruder ausgeben? Lachhaft. Tja, da muss ich nun wohl durch. In der Hand hat sie einen gelben Umschlag, wedelt damit herum und ruft: "Post vom Amtsgericht, ich brauch´ da deine Unterschrift." Prima. Noch lauter, und ganz Coburg weiß, dass Post vom Gericht kommt. In Gedanken gehe ich durch, was das sein könnte. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, was solls.

DingDong, DingDong. Ich habe es doch kapiert, die Tür hätte ich schon geöffnet. Kurz den Buzzer gedrückt. Mach ich gerne, 90 % der Menschen rennen dann gegen die Tür. Nochmals kurz gedrückt, wieder ein kleines "Rumms". Ja, mein Spaß des Tages ist einfach aber effektiv. beim dritten Mal drücke ich dann länger, übertreiben will ich es auch nicht. Mir schießt in den Kopf, dass ich den meisten Spaß in meinem Leben an der Tür erlebe. Auch irgendwie arm.

Sie stürmt die Treppe hoch, hält mir den Brief unter die Nase, ich quittiere den Empfang. Neugierde! "Haste ´nen Kaffee?" Ne, leider nicht, stimmt sogar, den letzten hat die Schwester am Wochenende gezogen, ich muss erst welchen besorgen. "Ich nehm´ auch ´nen Tee...!" So, das wars, sie hat mich am Wickel. Das Regal steht voll mit Teesorten für die Tassimo, die sieht man vom Flur aus. Da komm´ ich nicht mehr raus aus der Nummer. "Willst ´ne mitnehmen?" Hoffnung... "Ne, heute ist wenig los." Habe ich bemerkt, sie war viel früher dran als sonst. Ich öffne den Brief und schaue, was drin ist, während sie weiter plaudert. Ha, der Mahnbescheid, den ich kürzlich erwirkt habe, der ging durch, die Einspruchsfrist ist verstrichen. Was aber noch nicht heißt, dass auch das Geld kommt. Die Laune bessert sich etwas, ich sehe nur, dass sie mich fragend ansieht. "`tschuldigung, was hast du gesagt?" Sie fragt nochmals, und zwar, ob denn die Marlies nicht mehr zurück kam, sie hat schon lange keine Post mehr für sie bekommen. Ich habe keine Lust, mein Leben vor ihr auszubreiten und sage nur, dass sie einen neuen Freund hat. Mehr muss sie nicht wissen. Nicht wer und wo, auch nicht, dass ich noch an ihr hänge. "Vielleicht kommt die nochmal? "Ne, ich wüsste nicht, was sie hier noch zu mir zurück bringen könne." 

Scheinbar ist das nun der Startschuss für sie, sie erzählt mir von ihrem langjährigen Exfreund, davon dass sie auch verlassen wurde. Eigentlich hat sie ihn rausgeworfen, denn er hat sie betrogen. Das ging nur ein paar Tage, aber sie konnte es nicht verzeihen. "Der hat es parallel laufen lassen, um zu sehen, ob die Andere es ernst meint, hat sich erst sicher sein wollen, dass er nicht alles verliert." Fast fünf Jahre waren die zusammen, auch bei ihr gab es keine Zeichen, die sie hätte lesen können. Sie dachte, dass er (bei einem großen Unternehmen in Coburg als Metalbauer in gehobener Position tätig) so viele Überstunden macht. In Wahrheit hat er sich da schon bei After-Work-Partys eine Mätresse angelacht. Sie ist auch dann nur durch Zufall dahinter gekommen, weil ein Kollege ihres Mannes erzählt hat, dass die Firma mit Dienstreisen etwas strenger als früher umgeht. Und bei einer Nachfrage kam heraus, dass er einen Kurzurlaub mit ihr geplant hat - anstatt einer Geschäftsreise. Er musste ausziehen, da sie bei ihren Eltern gewohnt haben, das ging dann wohl ähnlich schnell wie bei uns damals.

Ein Jahr ist das schon her sagt sie, die beiden wohnen zusammen aber trauen sich kaum über den Weg. Sie ist eifersüchtig, schließlich hat er seine Freundin (die Postfrau) auch betrogen und das bleibt im Hinterstübchen stecken. Ich glaube, es hat ihr gut getan, sich einmal auszusprechen, das kam wie ein Wasserfall. Und danach hat sie einen erleichterten Eindruck gemacht. Der erste Eindruck von vor ein paar Monaten hat doch getäuscht, sie ist gar nicht so aufgedreht wie ich dachte, heute wirkt sie eher nachdenklich. Vielleicht war sie ähnlich zerstört wie ich. Ich gebe ihr noch einen Tee mit (in einer Warmhaltetasse) und schicke sie auf die Reise. War ja mal ganz nett, mit ihr zu plaudern, aber mehr als einmal im halben Jahr muss das dann doch nicht sein. Als die Tür unten in das Schloß fällt bin ich erleichtert.

Kommentare

  1. Die Ärmste hat sonst bestimmt niemanden, mit dem sie reden kann. Da hast Du vielleicht ein gutes Werk getan ohne es zu wissen.

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  2. Solange sie nur reden will ist das auch in Ordnung. Ein gutes Werk? Umso besser. Vielleicht hast Du ja Recht.

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