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Ölmaleddich Mamelada!

Was das heißt? Weiß ich doch nicht! Der Ausdruck wurde vom Onkel Heiner gebraucht. Onkel? Puh, jetzt wirds schwierig. Der Onkel, der keiner war. Fang´ ich mal an mit der Erklärung. Also...

Der leibliche Vater meines Vaters, also der Opa väterlicherseits, der Franz, der ist im Krieg geblieben. Nicht weil es ihm da so gut gefallen hat, er wurde gefallen. Gefällt. Wie auch immer, beim Rückzug in den letzten Kriegstagen haben sie ihn irgendwo in Tschechien aufgeknüpft. Ob es "nur" Rache war oder irgendetwas anderes vorgefallen war, weiß keiner. Bei uns in der Familie wurde nicht über sowas gesprochen, nur dass er ein kleiner Mannschaftsgrad war, also Kanonenfutter. Wo er beerdigt wurde, das weiß niemand mehr. Der Opa mütterlicherseits war im Krieg in der NSDAP, danach bei der FDP ein Funktionär. Wendehals würde man sowas heute nennen. Auch dieser Mann ist vor meiner Geburt gestorben. Herausbekommen haben wir Nachkommen dieses - und andere Überraschungen - erst nach und nach und oft per Zufall. So entstamme ich irgendwie und zu einem kleinen Anteil einer Adelsfamilie. Hurra... Was bringt es? Nichts.

So. Der leibliche Vateropa war nun tot. Was macht die praktische Frau, die zwei Söhne und gleich noch ein weibliches Zwillingspärchen in den Kriegwirren groß ziehen muss? Sie sucht sich einen neuen Mann. Eben den, der von meinem Vater und seinen Geschwistern Opa Heiner genannt wurde. Heinrich Schuch hieß der. Ich kann mich an wenig aus dieser Zeit erinnern, an meine Oma von Vaters Seite habe ich nur ein Bild im Kopf: eine Frau, die im Zuckerschock in der Küche liegt. Kurz darauf ist sie gestorben. Was wohl zum Teil daran lag, dass der Onkel Heiner auf dem Standpunkt war, dass, was von alleine kommt, auch wieder von alleine geht. Gegangen ist es, es hat nur die Oma gleich mit genommen. Der Onkel Heiner-Opaersatz hat sich nach deren Tod mit knapp 54 Jahren aber auch nicht einfach aus dem Staub gemacht, er war immer für die Ziehkinder da, auch für uns Enkel. Seinen kleinen Schrebergarten sehe ich noch heute vor mir. Heute steht da ein Bungalow drauf, zu seiner Zeit Hasenstätte und Kanarienvolieren. Das war sein Glück, hier konnte er bauen und für sich sein. Was er gelernt hat, ich weiß es nicht. Auch nicht, ob er sonst noch weitere Angehörige hatte. Wie gesagt, meine Familie schweigt gerne über die Vergangenheit.

Eine sehr gute Erinnerung habe ich auch noch an seine neue Wohnung, die er nach dem Tod der Oma bezogen hat, weil die alte Unterkunft zu groß war. Noch heute habe ich den Geruch der Zigaretten in der Nase, die zum großen Teil aus selbst angebautem Tabak bestanden haben. Dazu der Geruch von zig Wellensittichen und vielen Kanarienvögeln. Als Mann, der den Krieg an der Ostfront mitgemacht hat, war er gegenüber Leben nicht so zimperlich. Ein Kanarienvogel der nicht singen konnte oder eine falsche Gefiederfarbe hatte, der endete kurzerhand mit Schwung an der Fliesenwand in der Küche. Auch der eine oder andere Hase wurde geschlachtet. Hammer, Hirn, Hüftschwung. Fertig war der Braten. Mein Vater hat mir mal erzählt, dass der Hase Sonntags für sechs Personen gereicht hat. Der Rücken war für Onkel Heiner, die Jungs haben die Flanken und Hinterschenkel bekommen, die Oma die Vorderläufe und die Zwillingsmädchen die Bauchlappen. Harte Zeiten, was wohl auch die Sparsamkeit meines Vaters erklärt hat. Der übrigens mit zehn Jahren schon als Laufbursche und Metall- und Papiersammler zum Haushaltsunterhalt beigetragen hat. Ich habe ein Foto von ihm, welches mich immer nachdenklich werden lässt. Er ist da als vielleicht zehnjähriger Junge drauf, also so um 1950. Ein strahlendes Lächeln, im Sonntagsstaat. Und wenn man das Bild genauer anschaut, dann sieht man die Löcher im Pullunder und die durchgewetzten Kanten an der Tweedjacke. Und trotzdem scheint er von innen heraus glücklich zu sein.


Erst vor ein paar Wochen habe ich erfahren, dass mein Vater eigentlich einen Beruf als Automechaniker erlernen wollte. Mit dezenten Hieben in den Nacken hat ihm der Heiner den Weg gewiesen, er musste einen Kaufmannsjob erlernen. Das scheint wohl das Schicksal in unserer Familie zu sein. Ich wollte Koch werden, da hätte ich aber Fische schlachten müssen. Kann ich nicht. Einen Lehrjob hätte ich in einer der Küchen bekommen, die damals noch von den Feinkostläden unterhalten wurden. So habe ich den Beruf des Kaufmanns im Groß- und Außenhandel erlernt. Ist mir leicht gefallen, war kein Problem. Und es hat auch lange Jahre Spaß gemacht. Kochen ist nun mein Hobby, ich bin eigentlich zufrieden.

Tja, und dieser Onkel Heiner hat immer den Spruch "Ölmaleddich Mamelada" gesagt, wenn was in die Hose ging. Sei es die Windmühle gewesen, die er mir aus in der Stadt gesammelten Eisstielen gebaut hatte oder irgendwelche anderen Dinge, die mit wenig Material und viel Liebe gebastelt wurden. Die Windmühle ist übrigens im Wind zerbrochen, da kam der Spruch.

Und heute ist mir dieser Spruch wieder eingefallen, als bei mir nicht alles so glatt lief, wie es sollte.

Eigentlich wollte ich heute Abend mit einem Bekannten die "Blaue Gans" in Weißenbrunn besuchen. Hat nicht geklappt der Termin, was nicht schlimm ist, denn er wäre ersatzweise in den Urlaub gefahren *neidischguck*. Fast zeitgleich kam die Anfrage, was ich denn am Freitag mache, aber von anderer Seite. Ob ich Lust auf Zwetschgenknödel hätte, die im gebackenen Kartoffelteig serviert werden. Habe ich, auch die Zeit dazu. Gestern noch schnell ein Vanilleeis angesetzt, Zimtzucker gemischt, ich dachte, wir wären für die Mittagszeit verabredet gewesen. Ich habe mich schon gewundert, dass der Zwetschgentermin gefragt hat, ob wir danach zum Abendbrot fahren wollen. Äääähhhh..... Ja. Ja! Warum denn nicht, ist halt eine lange Zeit von elf am Morgen bis um 18 Uhr. Aber, vielleicht will der Kartoffelteigtermin spazieren gehen, das Wetter ist ja hervorragend.

Dann kam gestern Abend die eMail, dass der ursprüngliche Termin heute dann doch Zeit hätte. Man, ist mir das peinlich, ich musste da schreiben, dass ich schon einen andere Einladung angenommen habe. Ich wäre am liebsten im Boden versunken, mag es überhaupt nicht, so mit heruntergelassenen Hosen da zu stehen. Wir haben uns auf einen späteren Termin geeinigt, ich werde da wohl ein Bierchen ausgeben müssen, um das wieder gut zu machen.

Fauxpas 1 oder Ölmaleddich Mamelade als Auftakt.

Heute Nacht (von Donnerstag auf Freitag) habe ich richtig mies geschlafen, nicht die gewohnten vier Stunden, höchstens zwei. Und auch die nur sehr unruhig. Rechtzeitig aufgewacht, in die Dusche, Körperchen gepflegt und die Temperatur auf "Aufwachen" gestellt. Raus aus der Dusche - und kein Badetuch zurechtgehängt. Gewohnheitstier wie der Mensch ist, trete ich nur noch ungern auf den Läufer vor der Dusche, nachdem ich gebeten wurde, nicht mit nassen Füßen... Das ist eine andere, alte Geschichte. Aber, so steckt die Gewohnheit in mir drin. Durch das frisch gelüftete Bad geschlurcht und es war soooo kalt (Finger und Daumen nah aneinander hält ;-)

Fauxpas 2 oder Ölmaleddich Mamelada es geht weiter.

Ich habe also das Vanilleeis aus dem Bereiter in eine Weichverpackung gekratzt, schön zugeschnürt und den Geldbeutel bestückt, ab in das Auto. Pünktlich um elf Uhr war ich vor Ort. Und läute. Und es dauert. Auf macht der Zwetschgenknödeltermin, schaut mich mit riesengroßen Augen an und fragt, was ich denn schon hier will. Zum Glück war der Termin schon angekleidet, das hat eine weitere Peinlichkeit erspart. Ich habe schlicht die SMS falsch interpretiert, dachte, ich solle zum späten Frühstück auftauchen, gemeint war aber ein Kaffeetrinken so gegen drei Uhr. So pünktlich war ich noch nie. Gut, es gab die Knödel, das Eis, den Zucker und einen Kaffee, da ist man doch flexibel. Um vierzehn Uhr bin ich dann nach Hause, Post bearbeiten und ein wenig ausruhen (so einen die Verwandtschaft lässt).

Fauxpas 3 oder Ölmaleddich Mamelada es langt

Zumindest am Abend hat es terminlich geklappt, der Grieche (ohne Vorbestellung hin, wie sind ja Tapfere!), kurz vor neunzehn Uhr wurden uns die Plätze zugewiesen. Das Essen war lecker und um 22 Uhr ging der Weg in Richtung Heimat. Die Portion habe ich übrigens nicht geschafft, viel zu viel und viel zu gut. Hamster müsste man sein.

Zu Hause dann nochmals die eMails gecheckt, der Urlaub klappt nicht. Das Haus Allgäu-Hans hat in der gewünschten Zeit nicht die benötigte Menge an Zimmer frei. Ölmaleddich Mamelada, wann hört das auf? Na, suchen wir halt einen neuen Termin raus.

Und ich habe mich wieder breit schlagen lassen. Morgen gibt es Chili für eine ganze Mannschaft bei mir. Mit lecker frischen Zutaten und ein klein wenig Rinderhüfte aus Argentinien. Danach ein selbst gemachtes Eis und frisches Obstsalat. Aber die Arbeit...

Kommentare

  1. Huch, was'n Roman... Schön! Les ich gern, sowas.

    Absatz

    Ich kenn Chilli nur mit Hackfleisch *sabber*. Das is mal nen Menü für brisy, mit Eis und Obstsalat hinterher. Mjammjammjam...

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  2. Romane? Ne, das ist DAS Leben ;-) Auch Absatz.
    Ja, Hackfleisch ist die Grundausführung. Neben vielen weiteren Zutaten wie Kaffee, Tomaten etc. Und heute eben auch mal mit Rinderfilet. Aber nur wenig. Ich glaube, der Preis ist an den Goldpreis gekoppelt *staun*

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  3. Ach ja, Obstsalat habe ich weggelassen, dafür die Himbeerbowle und das Eis habe ich schlicht in der Kühltruhe vergessen. Ichsachja - dasalter!

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  4. Vergessen, püüüüh, faule Ausrede! Gib zu, Du wolltest das alleine essen. Alter is immer für ne Ausrede gut, näch? *gg*

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  5. *räusper* durchschaut.... Ne, das Eis gab es dann am Sonntag als Spende für die Familie.

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