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Lang ists her....

Meine Jugend. Im BR läuft ja gerade das 2011er Programm der Monika Gruber. Und als Zugabe sinniert sie über ihre Jugend und das, was heute so Jugendzeit genannt wird. Und ich muss sagen: um keinen Preis der Welt würde ich meine Jugend gegen das eintauschen, was heute so geboten wird.

Wahrscheinlich wird die heutige Jugend in 25 Jahren auch so über ihre Adoleszenzzeit denken wie ich. Aber, dann bin ich ja schon im Rentenalter und kann über mein "Mittelalter" schwadronieren.

Wie war denn nun meine Jugend? Aufgewachsen bin ich ab dem zehnten Lebensjahr am Stadtrand von Coburg. Fast genau an unser Hausgrundstück ist damals ein Abenteuerspielplatz  angebaut worden, etwas weiter Richtung Nachbarortschaft waren Felder.

Meine Schwester und ich hatten zusammen mit einem meiner besten Kumpels eigentlich die meisten Freiheiten. Schule abgespult, Hausaufgaben erledigt, ab nach draußen. Zum Glück musste ich nie lernen, einmal lesen reicht, schon ist es eingeprägt. Soll es ja geben. Standardausrüstung waren Streichhölzer und ein Messer. Später dann auch ein Feuerzeug, eines davon hat es immerhin auf eine Flamme von gut einem halben Meter gebracht. Und was haben wir fürs Leben gelernt.

Eier am Trafohäuschen lassen sich von der Witterung nicht mehr abwaschen, trotzen auch einem Neuanstrich. CO²-Patronen explodieren nach gut einer halben Stunde im Lagerfeuer und löschen mit lautem Knall selbiges. Und mit Feuerwerkskörpern haben wir unseren kleinen Feuerwerker gemacht. Prunkstück war unser Feuerregen. Eine 2,5 kg-Konservendose, gefüllt mit 5.000 Wunderkerzen. In einer Aktion von drei Tagen haben wir mühsam das Brennbare von der Kupferlitze gekratzt. Dann die Dose fett isoliert und ab ging das. Das Ergebnis war ein gut 30 m hoher Feuerschweif, ein Geräusch wie ein startender Jet und Aufmerksamkeit in der ganzen Straße. Nebeneffekt: Loch in der Privatstraße. Wir waren damals davon ausgegangen, dass Wunderkerzen Jugendfrei sind. Also war für uns logisch, dass auch unsere Bastelei keinen Anstoss erregen könnte. Heute wissen wir, dass das ein Verstoß gegen geltende Gesetze war.

Überhaupt habe ich mit meinem Kumpel DB viel Blödsinn gemacht. Flammwerfer zum Beispiel. Benzin in alte Duschgelflaschen. Feuerzeug davor. Und einmal hatten wir Glück, dass wir den Wald nicht in Brand gesteckt hatten. Ab da war dann Schluss mit der unkontrollierten Zündelei. Übrigens, wenn man ein Sprühpflaster versprüht und dieses anzündet, dann sind die Dämpfe so unangenehm, dass einem gut vier Minuten das Atmen schwer fällt.

Was auch für einen Sturz von der Seilbahn im Abenteuerspielplatz gilt. Wie immer war einer mutiger als der andere, was in einem Wettstreit ausgeartet hat. Wer ist der schnellste, wer kann den weitesten Sprung von der Plattform zur Seilbahn machen? Ich habe mich getraut, diese am weitesten weg zu schieben, leider ging der Sprung auch fast in die Kiste. Das Ergebnis war ein fröhliches Abrutschen von den Griffstangen mit anschließendem Aufschlagen auf dem Rücken. Da bleibt einem gerne mal die Luft weg. Nicht nur im sprichwörtlichen Sinn.

Klar war natürlich auch, dass mein Kumpel und ich oder meine Schwester und ich für alles verantwortlich waren. Kumpel DB hatte aus seiner Lehrstelle als Konditor eine CO²-Patrone mitgebracht. Was sollten wir damit? Hilfreich war der Hinweis auf der Packung, diese nicht großer Hitze auszusetzen. Ein Feuer wurde sowieso geschürt, rohe Kartoffeln wollte ja niemand essen. Also, ab damit in das Feuer. Die oben bereits angesprochene halbe Stunde gewartet, die Wolke hatt einem kleinen Atompilz recht ähnlich gesehen. Aber es hat keine Minute gedauert, bis meine Mutter die Namen von meiner Schwester und mir gerufen hatte.

Unsere Antwort: "Das waren die von oben....!"

Die von oben, das war die klassische Feindschaft. Die aus der Scheuerfelder Straße. Die mochten uns nicht, hielten uns für reich und snobistisch, einfach aus dem Grund, weil unsere Eltern ein kleines Reihenhaus ihr Eigen nennen konnten. Heute habe ich zu einigen von ihnen recht herzliche Beziehungen. Damals aber waren die von oben sowas wie im oberbayrischen wohl die Jugend aus dem Nachbarort ist: Feinde! Und jedes Jahr im Herbst gab es einen Showdown im abgeernteten Getreidefeld. Die Stoppeln standen noch, der Boden war lehmig und im Idealfall feucht. Schnell das Restheu zu einer Art Burg zusammengerafft flogen auch schon die ersten "Bomben" Stoppeln aus dem Boden gerissen, die Erde mit der Hand verdichtet und in Richtung feindliche Befestigung geworfen. Manch blauer Fleck wollte Abends erklärt werden.

Eines der Hauptprojekte war das Baumhaus in der Krone der Wildkirsche. Wir haben dann nach der Fertigstellung (drei Jahre Bauzeit!) mal die Nagelpackungen gezählt, sind auf 35 kg gekommen. Im Baum, im Holz, unten im Dreck. Mit Teppich und Fenstern ausgestattet hat es immerhin Platz für 12 Personen geboten. Für mich war das Tabu, zu unsicher. Auch, wenn ich sonst überall vorne mit dabei war.

Später dann kamen die ersten Computerspiele. Pelota. Und Tennis. In Form von eckigen Bällen und Strichen, die diese zum Gegner zurückwarfen. Dann das Highlight: Vectrex. Man, man, man....! 256 Level gab es und nur einmal haben wir diese bei Hyperchase durchgespielt. Fast fünf Stunden hat es gedauert und danach wurde von uns niemand Hyperaktiv. Könnte vielleicht auch daran gelegen haben, dass wir uns vernünftig ernährt hatten. Bauernbrot, dick Butter, Bauernvesper drauf und Limonade mit Waldmeistergeschmack. Mit Zucker. Nicht wie heute mit Süssstoff.

Dann kam der VC20 von Commodore, der wurde vom C64 abgelöst. Erst mit Datasete und dann mit 5 1/4-Zoll-Laufwerk. Später, 1986 dann, war das Laufwerk das Non-Plus-Ultra, welches meinen kompletten Lhhrlingslohn als Großhändler aufgefressen hat. Und die 124k-Erweiterung hat auch schlappe 189 Mark gekostet. Gespielt wurden dazu Platten von Rondo Veneziano. Und mitgepfiffen und mitgesummt. Geschämt hat sich da niemand dafür.

Ende der 80er-Jahre kam dann der erste VHS-Videorekorder, welcher bezahlbar war. Rocky haben wir an einem Wochenende 26 Mal geschafft. Und das war auch die Zeit, in der die Hanteln in unser Leben eingezogen sind. Mein Vater hatte sich eine Hantelbank gekauft und nie benutzt. Erst hatten wir auf der Kurzhantel nur fünf Kilogramm, mit zehn Wiederholungen auch überschaubar. Bis der Kumpel 7,5 kg auf der Stang hatte. Natürlich konnte ich das besser und toppte mit mehr Wiederholungen. Er wieder mehr Gewicht usw. usw. Geendet ist das dann irgendwann bei 55 kg auf der Kurzhantel (mehr ging nicht drauf, da hätten wir sonst andere Gewichte kaufen müssen) und 120 Wiederholungen am Stück. Je Seite.

Ja, unser Leben war teuer und ebenso langsam. Aber nicht schlecht und auch nicht unkomfortabel. Was hätten wir auch vermissen sollen? PCs, welche es noch nicht gab? Oder MTV? Und wer hat denn heute noch Zeit, mit einem Taschenmesser einen Baum zu fällen, der gut 30 cm Durchmesser hat? Drei Tage hat es gedauert und keiner hat sich jemals Gedanken zum Umweltschutz gemacht. So war das halt damals.

Einen Knick hat es erst genommen, als mit dem Führerschein der Aktionsradius weiter wurde. Feuerwerk war nun legal und mit einem Mal uninteressant. Neue Freunde kamen in das Leben, neue Interessen und so hat es sich hochgeschaukelt bis zum heutigen, oft stressigen Alltag. Aber, wir sind ja auch da hineingewachsen. Die Jugend von heute, die das alles viel schneller bewältigen und erlernen muss als wir, die beneide ich nicht.....

Kommentare

  1. Du sprichst allen die dieser Generation angehören
    100 % aus der Seele.
    Super schön geschrieben. Kompliment.

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  2. Also, nicht schlecht, diese Jugend, aber offensichtlich auch ziemlich gefährlich - da war ich ja ein richtiger Schisser dagegen.

    Mit der Ernährung und den Kindern heute gebe ich Ihnen vollkommen recht, aber solange hier IIIglu, McD, Dr. Oe, Knorx u.ä. das Sagen haben, wird sich daran auch nicht viel ändern.

    Ach übrigens: Der Heimleiter hat das Problem mit den Pyromanen damit gelöst, indem er sie mit den Bettnässern zusammengelegt hat ... ;-)

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  3. Feiner Bericht. Habe mich in den meisten Deiner Erlebnisse wiedererkannt.
    Welcher Jahrgang bist Du?

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