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Verschlimmbessert

Nachdem wir nun wieder drei Tage Hölle zu Hause hatten, ist eine Einweisung von meinem Vater unumänglich geworden. Alternative: drei Mal Zusammenbruch wegen Erschöpfung.

Aufgrund von Plaquebildung im Gehirn ist mein Vater an Alzheimer und Demenz erkrankt. Seit knapp eineinhalb Jahren in Behandlung und nach mehreren CTs und MRTs, wurde vor zwei Monaten dann bei einer erneuten MRT festgestellt, das er zusätzlich über die Jahre wohl hunderte Mikroschlaganfälle erlitten hat. Nie so stark, dass ein starken Merkmal festzustellen war. Aber doch über die Dauer und in der Häufung so, dass der Ausfall schleichend kam.

Der zuvor untersuchende hoch angesehene und auf solche Fälle spezialisierte Arzt hat das als normalen Altersverschleiß abgetan. Der Laie staunt und akzeptiert. Bis dann die erste Einweisung in Klink A anstand, um die Medikamente optimal auf den Zustand einzustellen. Hier dann die für uns sehr ernüchternde Diagnose: Hirnschläge! Nach knapp zwei Wochen erhielten wir meinen Vater wieder zurück in unsere Hände. Und ab dem ersten Tag war zu bemerken, dass er nun eine unheimliche Unruhe in sich trug. War vorher das ruhige Fernsehen schauen seine liebste Beschäftigung, so war ab dem Tag der ersten Heimkehr keine Ruhe mehr in ihm. Schlafphasen von höchstens zwei bis drei Stunden, gepaart mit einem extremen Sauberkeitswahn - was sich in bis zu 15 Duschvorgängen am Tag äußerte - und leichte Aggressivität waren ab nun normal.

Nach dem ersten tätlichen Angriff - vorher waren knapp sechs Stunden verbale Angriffe der übelsten Art gegen uns gelaufen - wussten wir uns nicht mehr zu helfen. Ein Zugang war nicht mehr zu bekommen, so blieb uns nur die Bitte nach erneuter Einweisung. Wieder in Klink A, hatten die doch über den Verlauf der letzten Wochen von uns penibel Auskunft bekommen. Auch ein schriftlicher Bericht von uns, in dem detailliert der Unterschied zur Zeit vor der ersten Einlieferung gelistet war, kam mit in die Klinik.

Tägliche Besuche, die uns immerhin einen Hin- und Rückweg von 80 km abverlangten, sollten meinen Vater helfen, die sozialen Beziehungen zu uns aufrecht zu erhalten. Und vielleicht auch unser Gewissen beruhigen, auch wenn wir ihn letztlich vor sich selbst schützen wollten und auch mussten - Zweifel, ob man den Angehörigen abschiebt, bleiben. Über fünf Wochen waren wir ein Teil der Therapie. Fortschritte waren jedoch nur stundenweise zu bemerken. Nach wiederum zwei Wochen wurde uns eröffnet, dass mein Vater nun nur noch zum essen vor Ort sei und gut eingestell wäre. Wir empfanden seinen Zustand eher wie der der Zombies aus den C-Filmchen. Gut, dann nutzen wir halt die guten Tage, die schlechten akzeptieren wir so, wie sie sind.
Dann kamen jedoch nochmals gut drei Wochen dazu, da nun erst entdeckt wurde, dass er an Bluthochdruck leidet. Hier sind wir zum ersten Mal aufmerksam geworden, wurde diese Hypertonie doch auch als teilursächlich für die Krankheit angegeben. Es folge dann die Einstellung des Blutdruckes. Oder so. Am Tag der Abholung hatte ich dann einen wichtigen Termin, konnte nicht mitkommen. Was auch kein Problem sein sollte, denn wenn der Patient als friedlich und unauffällig entlassen wird, müsste das funktionieren. Meine Mutter hat dann meinen Vater nicht mit heim bekommen. Begründung: er könnte im Auto aggressiv werden. Komisch, eben diese Aggressionen hat er doch in der Behandlung angeblich nicht gezeigt? Zum Abschied wurde uns auch eröffnet, dass er nun auch auf den Boden urinieren würde. Prima, wie auch anders, wenn er bekanntermaßen durch die Tabletten einen erhöhten Harndrang hat und die Toiletten abgeschlossen werden....

Vergangenen Dienstag dann haben wir ihn wieder in unsere Arme schließen dürfen. Kaum auf der Couch angekommen - begann das alte Spiel. Die Aggression noch gedämpft aber ausgeprägter, viel länger anhaltend als vorher. Dies gipfelte dann in einer vorher nie dagewesenen Unruhe, geäußert in ständigem auf und ab gehen, Beschimpfungen, ständigem an - und ausziehen und einer Reihe anderer Zwangshandlungen. Gestern, Donnerstag dann begann der (von ihm sicher nicht absichtliche) Terror von Neuem. Ab sechs Uhr in der früh war die Nacht, welche erst gegen zwei Uhr Morgens begonnen hatte, vorbei. Er wolle nun in die Stadt zum Kaffee trinken. Und auf die Bank. Und Kunden besuchen, die bereits in den 80er Jahren geschlossen hatten. Schwer, ihn zu beruhigen. Also - wieder der Anruf beim Arzt, ob an den Medikamenten etwas geändert werden könne. In diesen Anruf fiel einer seiner Tobsuchtsanfälle. Glücklicherweise, was die rührige Ärztin veranlasste, uns schnell zu helfen.

Die Krönung des Tages, nach allen Bezichtigungen wie Diebstahl, Hurerei, Inzest und anderen lieben Dingen, war, dass er die vor ihm versteckten Autoschlüssel gefunden hat. Und diese auch benutzte. Wie hoch unser Blutdrucknun schoss, brauche ich sicher nicht zu erwähnen... Wir haben ihn dann an seinem damaligen Stammparkplatz aufgegabelt, unter einigen Schwierigkeiten auch wieder nach Hause bekommen. Der Rest des Tages: ...... - diesen werde ich dauerhaft aus meinen Erinnerungen streichen. Nur soviel: heute Morgen um vier Uhr war die Nacht zuende.

Nun stand ja heute die Einlieferung in Klinik B an, nachdem es nach den Aufenthalten in Klinik A nur schlechter wurde. In jeder Hinsicht. Der erste Check war umfangreich, viel mehr wurde erfragt als in Klinik A. Und dann der Arzt, der die Behandlung fortführen wird.

Als dieser die Medikamentenliste sah kräuselte er die Stirn und nahm einen Stift zur Hand. Von dreizehn derzeit noch verordneten Medikamenten werden künftig wohl nur drei bis vier übrig bleiben. Gestrichen werden unter anderem die Schmerzmittel (er hat NIE Schmerzen angezeigt!) und auch Arznei, die sich untereinander nicht verträgt, eher sogar die Symptome verschlechtert. Wir haben nun wieder Hoffnung, dass sich der Zustand zumindest nicht mehr verschlechtert und vielleicht auch die Bewusstseinstrübung zurückgeht. Wir werden sehen. AWG? Wir hoffen es....

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