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Mein liebes, ungeborenes Kind!

Ich schreibe diesen Brief an Dich, weil es Dich nie geben wird. Ich werde nie erfahren, ob Du ein Junge oder ein Mädchen geworden wärest. Wäre bei der Geburt alles glatt gegangen? Und hättest Du eher die Augen Deiner Mutter gehabt oder meine? Meine Wellen oder ihre glatten Haare? Wer weiß, ob Du ein ruhiges Kind oder ein aufgeregtes geworden wärest. Egal, ich  hätte Dich ganz sicher lieb gehabt, so, wie es Eltern eben tun. Du wärest für mich das schönste Kind, das liebste und natürlich auch das klügste geworden. Stolz wäre ich gewesen.

Wie oft habe ich junge Eltern beobachtet und versucht, mir abzuschauen, wie diese in den Situationen mit ihrem Nachwuchs umgingen. Und wie oft habe ich gedacht "ne, das machst du später mal anders..." Oft habe ich mir ausgemalt, wie es ist, wenn ich Nachts aufstehe und Dich in den Arm nehme, weil Du Zähne bekommst und weinst. Wie es ist, wenn wir beide müde sind aber nicht schlafen können. Vielleicht auch, weil Du Hunger hast. Was habe ich mich darauf gefreut, wenn ich Deine ersten eigenen kleinen tapsigen Schritte in Deine Zukunft sehe. Oft habe ich mir gedacht, dass es doch schon wäre, wenn Du zuerst Mama oder Papa sagen würdest. Natürlich hätte ich versucht, Dir irgendeinen Mist beizubringen. Dein Leben wäre später noch hart genug geworden, ich wollte Spaß mit Dir haben. Trotzdem solltest Du Anstand besitzen und ein ehrlicher Mensch werden. Unmöglich, dass ich mich einmal für Dich schämen sollte. Nein, Du wärest perfekt geworden. So, wie ein Vater das eben von seinem Kind denkt.

Manchmal, wenn ich im Café sitze, dann denke ich noch darüber nach, ob Du später auch Winnie Pu oder Bernd das Brot kennenlernen wirst. Klar, ich kenn´ die auch, irgendwann hätten wir uns zusammen vor dem Fernseher diese Serien auch angeschaut. Und eben die neuen Sendungen, die dann bei Dir aktuell wären. Dabei hätten wir die Kekse gegessen, die wir am Vormittag gebacken haben. Und dazu vielleicht ein Glas Milch getrunken. Die hätten wir beim Bauern geholt, Du hättest schon früh gewusst, dass Kühe eben nicht lila sind. Und ich hätte Dir auch den Stall gezeigt, in dem ich als Kind oft zu Gast war. Du würdest auch die Zungen von Kälbern und Kühen unterscheiden können, wenn sie Dir die Zungen über die Haut schlecken. Du würdest den Geruch eines Stalles kennen wie den der Blumen auf den Feldern. Angst hättest Du keine gehabt. Ich wäre für Dich da gewesen. Und Du hättest auch nie gehört, dass Du nicht an den Hund sollst, weil der Dich beißt. Aber, Du hättest gewusst, wie Du Dich einem Tier zu nähern hast, damit es sicher für Dich ist.

Einen Kindergarten hättest Du nicht unbedingt gebraucht, auch ich wurde ohne groß. Ich hätte mich um Dich gekümmert, wir wären viel an der frischen Luft gewesen, hätten uns auf dem Rummel eine unvernünftig große Portion Zuckerwatte gekauft und diese im Riesenrad gegessen. Unseren Spaß hätten wir gehabt, auch im Schwimmbad. Bestimmt hätten wir Dir auch eine Frisur nach dem baden gemacht, die Deine Mutter an den Rand der Verzweiflung gebracht hätte. Wir hätten es cool gefunden.

Vielleicht hättest Du sogar wie ich in meiner Kindheit die Kastanienmännchen geliebt. Und die unterschiedlichen Blätter hätten wir im Herbst gesammelt und in Büchern getrocknet. Du wüßtest, wie Du das Holz unterscheiden kannst anhand der Rinde und der Blätter. Und Du hättest auch erfahren, dass Holz wächst und nicht aus einer Maschine kommt. Und wir hätten Boote aus Rinde geschnitzt und Segel aus Taschentüchern gebaut. In der Wanne wären die sicher abgesoffen wie meine. Aber, ich wäre für Dich da und wir hätten es besser gemacht, ich hätte Dir erklärt, wo der Fehler liegt. Und irgend ein Boot hätten wir schwimmend und stolz die Itz hinunter geschickt.

Wie habe ich mich darauf gefreut, ein Foto von Dir zu haben, dass Dich an Deiner Einschulung zeigt. Ein paar Jahre lang hätte ich Dich bei den Hausaufgaben begleiten können, dann hättest Du mir etwas beigebracht. Über mein klägliches Wissen in Computerdingen hätten wir wohl gemeinsam gelacht. Und ich hätte mich auch gefreut, wenn Du einen gesunden Humor entwickelt hättest. Wir hätten uns über die Einsen gefreut, ich hätte die Augenbrauen bei einer vier hoch gezogen und bei einer noch schlechteren Note hätte ich mit Dir bei Deiner extra Lernstunde gelitten. Ich habe mir vorgenommen, Dich zu führen aber nicht zu biegen. Du solltest Werte kennen und trotzdem Deinen eigenen Weg gehen dürfen.

Nach der Schule hätte ich ebenso hinter Dir gestanden, wenn Du eine brotlose Kunst hättest erlernen wollen, auch, wenn Du ein Studium begangen hättest. Vielleicht hätten wir auch ein so gutes Verhältnis gehabt, dass Du mir Deinen ersten Liebeskummer anvertraut hättest. Und wir hätten einen Weg gefunden, Deinen Schmerz zu lindern.Wenn wir dabei einen Kübel Eis verbraucht hätten - egal!

Wahrscheinlich hätte ich Dich immer als zu gut für Deinen Partner oder Deine Partnerin empfunden. Aber auch hier hätte ich Dir beigestanden wie ein Löwe sein Kind schützt. Und ich wäre sicher den einen oder anderen Tod gestorben bei Deinen ersten Fahrstunden mit mir im Auto. Du hättest wohl die Lust mit mir verloren, weil ich ein schlechter Beifahrer bin. Nächtelang wäre ich wach gelegen, bis ich Dich an der Haustüre gehört hätte. Nicht, weil ich Dir nicht vertraut hätte, ich hätte Angst, dass einer der vielen Idioten auf den Straßen Dich hätte verletzen können.

Und irgendwann wäre der Tag gekommen, an dem ich alt und grau wäre, mich auf die Tage gefreut hätte, an denen Du  mich besuchst mit Deiner eigenen Familie.

Aber Du, liebes ungeborenes Kind, Dich wird es nie geben. Nicht Du bist schuld, ich wollte es perfekt für Dich und Deine Mutter haben. Zu lange habe ich dazu gebraucht. Viel zu lange...

Kommentare

  1. Lieber Löffel ..was für ein wunderschöner ...nnrührender Brief ...hab Tränen in den Augen. Weisst Du ...ein ungeborenes Kind ist natürlich nicht einfach durch ein "neues" zu ersetzen ...aber ...Du bist noch jung genug um Vater zu werden ...sag niemals nie ....man weiss ja nicht was das Leben noch so bereit hält ...solange man nicht drann verzweifelt ...und das tust Du nicht ...du bist ein starker Mann !!! Du wärst bestimmt ein toller Vater!

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  2. Ich habe auch gerade einen Klos im Hals...

    Man soll niemals nie sagen. Und Vater an sich kann man noch bis ins hohe Alter werden. Aber das weißt Du ja selber. ;)

    Gib die Hoffnung nicht auf!

    LG

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  3. Das berührt mich sehr... Ich heul ne Runde mit. Mehr kann ich grad nicht schreiben *Löffel in den Arm nehm*

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  4. Alles hat seine Zeit. Zu der muss man reagieren. Und manchmal weiß man einfach, wenn es für etwas zu spät ist. Wenn die Uhr für etwas abgelaufen ist. Menschen sind wie Tiere, sie müssen die Intuition nur einfach wieder zulassen.

    Darüber muss man nicht traurig sein, man muss nur lernen, dies anzunehmen.

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  5. Ein so schööööner Brief.
    Obwohl das Leben mit Kind nicht so rosa ist, wie Du es schreibst.
    Aber warum soll man es sich nicht so vorstellen, gell ?

    Gruß Schmedderling

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