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DOC-Stories

Da sitzt man an einem Freitag Vormittag beim Arzt des Vertrauens und will sich das Gebein begutachten lassen. Einfach aus dem Grund, weil es nicht lustig ist, mit weit über 400 kg Lebendgewicht umzuknicken. Aus der Kindheit schleppe ich noch eine chronische Bänderüberdehnung mit, die schon für manch lustiges Erlebnis für Zuschauer und dicke Beulen bei mir gesorgt hat. Ich beherrsche es also, aus dem Stand einfach nach rechts umzufallen. Und ich muss mich nicht mal bewegen dazu. Eines meiner herrausragenden Können. Kurz: der Doc sagt, es ist nur mal wieder gedehnt, die Salbe, die ich verwende, reicht aus, in ein paar Tagen bin ich knöchelig wie immer um die Hufe. Das macht Freude.

Vorher ist aber im Wartezimmer eines der Dinge passiert, die mich manchmal am Verstand der Menschheit zweifeln lassen.

Der DmV gibt Termine aus, recht kurzfristig und hält diese auch ein. Zudem scheint zwischen Weihnachten und Neujahr eine Flaute zu sein, die Leute haben sowieso Urlaub, gelbe Scheine sind da weniger gefragt. Und der Rest der Menschheit ruiniert sich seine Gesundheit auf den Pisten. Was dazu geführt hat, dass ich erst einmal alleine im Wartezimmer saß.

Igendwann wurde die Menschheit aus dem Paradies vertrieben, ebenso, wie mir ein weiterer Patient in das Zimmer gesetzt wurde. Macht ja nix, ich bin gesellig, beherrsche die deutsche Sprache in den Grundbegriffen und war wach. Zudem kann ich schlecht verlangen, dass der Arzt ein Zimmer je Patient bereit hält. Auch wenn ich mir oft schon überlegt habe, ob und wie sehr die Mitmenschen um mich herum infektiös sind. Hat eigentlich schon einmal jemand die Keimbelastung in so einem Wartezimmer bei gefühlten 26° und geschlossenen Fenstern gemessen? Würde mich mal interessieren....

Die Dame älteren Semesters setzt sich mir gegenüber, ich habe natürlich gegrüßt, sie, wie es sich in Bayern gehört, hat ihre Grußformel nach dem Öffnen der Tür als erste ausgestoßen. Fränkisch knapp "Mn"! Mehr braucht es auch nicht, wir wollen schließlich nicht heiraten.

Und kaum sitzt sie da, fängt die Tirade auch schon an. "Sagense ma, ich kenn´ sie doch? Woher nur?" Ich schaue aus meinem Reiseführer für überdurchschnittlich gut verdienende Berufsgruppen (lag hier beim Arzt aus, warum nur) auf und erkenne sie. Eine alte Kundin von früher, die immer leicht isotopisch angehaucht war. Oder heißt das esoterisch? Ich gebe mich zu erkennen, sie nimmt das als Anlass, mir einen Schwall Worte zuzuraunen, aus denen ich entnehme, dass sie wohl gerne bei mir eingekauft hat. Früher. In einem früheren Leben. Also ganz lange her. Und da hatten wir oft schon Diskussionen über die Heilwirkung von Farben auf die Seele des Menschen, dem Sehen von Auren, der Heilung durch Moose und Flechten bei Alltagswehwehchen. Mal war es interessant, mal einfach nur nervig. Besonders dann, wenn es ins Spirituelle wie dem Handauflegen abgeriftet ist. Wir konnten aber auch oft kontrovers diskutieren, besonders dann, wenn es um REIKI ging. Lange her, vermissen würde ich das nicht wirklich.

Sie fragt also, was meine Frau macht. Ich teile ihr mir, dass ich nie verheiratet war, es nicht bin. Ja, aber, im Laden hätte sie doch damals beim Regalaufbau meine Frau kennengelernt. Ich sage, dass das meine Schwester war. Ne, die Blonde. Na hallo, die Frau hat ein Gedächtnis, 2001 habe ich neue Regale gekauft und diese im Anbau installiert. Dass sie sich daran noch erinnern könne. Ja, kann sie, die Blonde hätte eine schlechte Aura gehabt, unzufrieden gewirkt, zielstrebig und ehrgeizig. Tja, jetzt bin ich mir sicher, sie hat die Richtige gemeint ;-)
Was denn nun mit der wäre. "Ach", sage ich "wir sind seit letztem Februar getrennt." Ja, das würde man meiner Aura ansehen, dass ich nicht der Glücklichste bin. Na sowas, dafür reicht auch ein Blick in den Spiegel, ich habe Schmerzen im rechten Knöchel und Hunger. Der Sermon geht weiter "Sie sind seelisch nicht ganz ausgeglichen, da beschäftigt sie etwas nebenher!" Ha, hätte sie mich mal Mitte Oktober getroffen, da hätte meine Aura wahrscheinlich ihre aufgefressen. Ich lächle freundlich und hoffe, dass der Spuk jetzt ein Ende hat.

Nein, sie kann es nicht lassen, schaut aus ihrer Rentner-BRAVO wieder hoch und sagt: "Sie brauchen eine neue Frau!" Aber mit so einer Überzeugung in der Stimme, dass ich fast aufspringen und auf Damen-Safari gehen möchte. Sie könne mir dabei gerne helfen. Mir läuft es warm und kalt den Rücken rauf und runter. Abwechselnd Angst und Horror. Auf meiner Gänsehaut könnte man feinsten Wasabi reiben, so sehr gruselt es mich. Was will ich mit einer Frau, die Wallawalla-Kostüme trägt, im Winter mit Zehensandalen ohne Strümpfe läuft und im Park sicher auch die Meisenringe wegfrisst? Aber, meine Vermutung geht irr, sie will mich nicht angraben. Puls fährt runter, Haut wird glatter, Adrenalin baut ab. Wann kommt endlich der Arzt? Kennt das jemand, wenn man das Gefühl hat, dass die Durchblutung der Schläfen plötzlich um 300 % zunimmt? Heute war das mal wieder soweit.

Was ich denn für einen Typ Frau bevorzuge. Das wäre wichtig, damit sie mir am Abend entsprechend eine Energie schicken könnte. Lieber wäre mir, sie würde ein paar kW an Strom senden, der ist nämlich teuer. Aber, was solls, dann lasse ich mich mal auf das Spiel ein. Ich kann hier nicht weg und sie ist nicht der Typ Frau, der aufgibt. Schließlich hat sie eine selbstgewählte Aufgabe: die Welt retten. Und nun wohl auch mich. Dass sie mir mit einem BigMac eine größere Freude machen könnte, das zeigt meine Aura wohl nicht an.

Notiz an mich: Aura hungrig wirken lassen, passende Farbe raussuchen!

"Ja, ne, Herr Löffel, beschreiben sie mir doch mal, wie ihre Frau aussehen sollte!" "Nett soll sie sein, treu - und ich will mit ihr über Gott und die Welt reden können. Jeden Tag. Nicht nur nach der Trennung. Und sie muss gerne gut essen gehen." Sie schaut verwirrt und meint, dass sie das jetzt nicht versteht. Mir doch egal. "Nein, ich meine nicht die Charakterzüge, was zu ihnen passt sehe ich bereits deutlich vor mir." Jetzt werde ich stutzig, ich habe nämlich das T-Shirt von Kumpel Mitsch drunter, welches ich zum 40. geschenkt bekommen habe. Daraf steht: "Germanys next Top-Moppel". Kann die neben Aurasehen auch Röntgenblicken?  Dann könnte sie doch auch mal meinen Fuß ansehen...?

Ich weiß, worauf sie hinaus will und gebe ihr somit die Vorgaben, die sie möchte. "40 - 40 - 18 - 0 - 70B - 165 - 60 - grün - blond - 65/80" So, eat this, Kröthilda.

"Was meinen sie denn damit, Herr Löffel? Das müssen sie mir aber kurz erklären!" Müssen tu ich nichts, aber ich bin ja selber schuld, wenn ich mich auf so eine Sache einlasse. "Na, dass sind die Maße, die ich gerne hätte. Also an der Frau, nicht an mir." "?????"  "Ganz einfach. Schuhgröße 40, Hosengröße 40, Ringfinger Größe 18, Oberteil Size zero, Oberweite 70B, 165 cm Körpergröße ungefähr, um die 60 kg Lebendgewicht mit Knochen, grüne oder graugrüne oder graugrünblaue Augen, blonde Haare, Geburtsjahr zwischen 1965 und 1980." "Oh, das ist aber präzise!" Na, was denn sonst, blödeln wir hier rum? Sie hat doch damit angefangen. Fehlt eigentlich nur, dass sie einen Ordner aus der Amselfelltasche zieht und in den Setkarten ihrer Bekannten zu kramen beginnt.

"Ach Herr Löffel, das ist endlich mal ein Mann, der weiß, was er will. Und so genau. Sie glauben gar nicht......" Meine Gedanken schwenken ab zu frisch frittierten Kartoffelstäbchen, welche ich mir nachher zusammen mit einem dicken Burger und dem flüssigen Nationalstolz der Amerikaner durch mein Autofenster werde reichen lassen. Bis mich die Nachfrage "Oder?" aus meinen Träumen reißt. Oh Fauxpas, was nun? Der kluge Mann von Welt weiß sich auch hier zu helfen "Ich bin mir da nicht ganz sicher." Passt immer, sagt nichts aus, verpflichtet zu nichts. Und bringt das Gegenüber in der Regel dazu, die vorher gestellte Frage aus dessen Sicht zu begründen. Wenn nun die Gedanken nicht wieder abschweifen, kann der mittelmäßig begabte Mensch aus den Ausführungen auf die Frage rückschließen. Zudem hat das auch den Vorteil, dass man dessen Ansicht bereits mitgeteilt bekommen hat und so die Frage beantworten kann, wie man es für in dieser Situation richtig hält. Will ich Ruhe? Zustimmung. Will ich diskutieren? Ablehnung.

Es geht aber eher um eine unserer Gemeinsamkeiten: wir lehnen die klassische Kirche ab. Allerdings tendieren wir zu zwei verschiedenen Thesen, sie vertritt die Creatio ex nihilo, während ich mehr für die reine Lehre nach Darwin bin. Habe ich hier auch schon mehrmals geschrieben. Ich halte diese Lehre des Kreationismus für einen Versuch, doch noch Gott irgendwie mit hinein zu quetschen, wo die selbstständig denkende Menschheit schon lange schlüssig belegt hat, wie es mit der Evolution läuft. Klar, wir beide haben nur zwei von vielen Meinungen, aber es sind unsere. Sie mag es nicht hören, dass ich den Kreationismus nur für eine Art Schadensbegrenzung der Gläubigen halte. Sie wirft Darwin dafür vor, sich die Welt zurecht zu forschen. Nein, da kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. Nur den Zähler Kirche haben wir eleminiert.

Die Zeit geht also schnell herum, der Aufenthalt im Warteraum war sehr interessant und hat mal wieder meinen Blick auf die Welt bereichert. Auch, wenn ein gewisser Herr Schmidt mal gesagt hat, dass, wer für Alles offen ist, nicht ganz dicht sein könne - ich lerne noch dazu und kann fremde Meinungen immer noch erfassen und berücksichtigen.

"Herr Löffel, bitte Zimmer eins!" unterbricht unser Geplauder, ich bin dran. Ergebnis: siehe oben. Ich rieche nun wunderbar nach Thymol und anderen Dingen, die aus dicken Knöcheln wieder schlanke Fesseln zaubern.

Beim Gehen hole ich meine Jacke aus dem Wartezimmer und verabschiede mich, sie hat noch einen Satz für mich: "Herr Löffel, heute Abend schicke ich ihnen und ihrer neuen Frau die Energie, dass sie zu einander finden!" Na, da bin ich mal gespannt. Vielleicht hätte ich ihr auch sagen sollen, dass ich gar nicht auf der Suche bin?

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