Direkt zum Hauptbereich

Da würgts die Oma

Aber, kann ich das wissen? Mal wieder eine Geschichte aus der Mottenkiste, mal wieder geht es gaaanz außenrum los. Ich habe irgendwie das Bedürfnis, noch möglichst viel von mir zu erzählen, man weiß ja nie, wieviel Zeit man noch hat. Herbst? Allgemeine Blödheit? Wer weiß das schon... ;-) So, fangen wir los, wie der Franke manchmal sagt.

In den Zeiten als meine Schwester und ich noch Betreuungsbedürftig waren, als so quasi bis vorhin um achtzehn Uhr, hat diese Aufgabe meine Oma manchmal meinen Eltern abgenommen. Die ersten drei Jahre bin ich bei meiner Oma in der Wohnung aufgewachsen, dann sind wir ausgezogen, in eine eigene Wohnung. Mein Vater war übrigens mit seiner Schwiegermutter immer "per Sie". Was heißt, sie hat ihn "Dieter" und "sie" genannt, er sie "Frau Müller". Und das in einer Wohnung in der man sich die Küche, das Bad und das Wohnzimmer geteilt hat. Fast zehn Jahre haben die Beiden da gewohnt, zur Untermiete bei meiner Oma. Die natürlich auch nicht ganz uneigennützig war, denn sie hatte keinen Führerschein und wenig Lust auf Haushalt und Kochen. Da war es recht angenehm, den "Herrn Dieter" und die Tochter im Haus zu beschäftigen. Die Kohlen waren auch damals schon teuer und lagerten im Keller.

Nachdem sich drei Jahre nach meiner Geburt noch ein Sproß der großen Dynastie angekündigt hat, wurde es aber endgültig zu klein in der Bude. Rechtzeitig zur Geburt meiner Schwester hatte mein Vater die nagelneue Wohnung bezogen, meine Mutter ging von der Wohnung meiner Mutter erst in die Klinik und danach in die neuen Räume. Muss ich erwähnen, dass meine Mutter weder von der Wohnung wusste noch im Umkehrschluss dann eine Mitgestaltungsmöglichkeit hatte? Beschwert hatte sie sich aber nie darüber. Wir sind in Coburg in ein modernes Haus eingezogen, in den fünften Stock. Mit Aufzug und eigentlich in ein Sanatorium. Nur alte Menschen, keine Spielpartner für uns Kinder. Das sollte sieben Jahre lang so gehen.

Dort, in diesem "Hochhaus", habe ich auch das einzige Erdbeben meines Leben bisher erlebt. Das war 1976, die Ausläufer waren damals bis nach Coburg zu spüren. Friaul in Italien wurde zur dieser Zeit  ziemlich eingeebnet. HIER ist bei Wikipedia das nachzulesen. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir Kinder aus den Betten gerissen wurden, dann ging es mehr fliegend als laufend die Stufen nach unten. Draußen hat dann meine Mutter bemerkt, dass die Zebrafinken (kleine Quietscher, welche mehr Dreck machen als ein Adler!) noch in der Wohnung stehen. Einsturzgefahr? Evtl. der Vorbote von einem stärkeren Erdbeeben? Interessiert doch meine Mutter nicht, die ist da tapfer. Äh, ne, nicht selbst. Zu Anderen. Und so durfte mein Vater in das Haus zurück und im Auftrag meiner Mutter evtl. sein Leben für zwei kleine Vögel riskieren. Ich glaube, auch ich wäre da rein, bevor meine Mutter wieder eine ihrer Kreischarien loslässt.

Die Nacht haben wir dann in der Wohnung meiner Oma verbracht, die zur Erholung (öhm, von was???) bei einer Freundin in Huglfing war. Ok, das Haus war 30 Jahre älter, dafür aber flacher. Nach der Logik meiner Mutter war das aber sicherer. Wer weiß, die stehen ja Beide noch. Im Laufe des Tages kam die Schreckensnachricht in allen Zeitungen und im Radio, gegen Abend auch im Fernsehen. Zeit, die Entwarnung zu glauben und in die eigene Wohnung zurück zu ziehen.

Meiner Oma war das recht egal, aus welchem Grund wir ihre Wohnung annektiert hatten, sie fand es unmöglich. Tja, Familientradition, ein paar kackende Vögel stehen über den Familienmitgliedern. Erkennt da wer einen roten Faden in meinem Leben? Da sieht man mal, wie die Mütter die Töchter beeinflussen können. Natürlich ist das nicht so, das bilden wir Lebenspartner uns nur ein. OK, dann holen wir halt die Vögel ;-)

Wie auch immer, meine Mutter, die meine Oma sowieso täglich nach deren Fahrt an den Coburger Markt zum Kaffee an der Backe hatte, musste Abbitte leisten. Meine Oma hatte im Jahr 1969, dem Todesjahr meines Opas, alle Arbeiten im Haushalt eingestellt. Inklusive des Kochens. Und das hat sie eisern bis zu ihrem Tod durchgehalten. Sogar im Altersheim hat diese Frau meine Mutter genötig, ihr täglich eine Flasche Wasser zu bringen (vom Hauswasser bekäme sie Sodbrennen....) und eine Kanne Kaffee zu liefern. Hab´ ich schon erzählt, dass meine Oma die Leberwurst (bitte, täglich frisch natürlich!) vom Stück abgebissen hat? Ohne Brot oder sonstige Beilage. Vielleicht ist dieser Rundumservice der Grund gewesen, dass sie 100 und ein halbes Jahr alt wurde. Um elf Uhr täglich hat es an der Tür geklingelt, meine Oma stand davor. Und saß kurz danach am Mittagstisch.

Natürlich war dieses und jenes der Dame nicht genehm (zumindest hat sie sich nicht über tomatenlastiges Gulasch beschwert ;-), so war unser Speiseplan doch recht rustikal gestaltet. Altdeutsche Hausmannskost, Hacken zusammen. Jawoll! Nix auf der Kante, aber nach außen die feine Dame spielen. Auch hier könnte ich Parallelen nennen, aber ich halte lieber mal die Tasten still,sonst rege ich mich nur auf. Außerdem hat nicht alles was im Internet zu suchen.

An eben diesem Mittag nach ihrer Rückkehr aus Huglfing und dem Erdbeben, da gab es ein anderes Essen als sonst. Für meine Oma Bückling und Salzkartoffeln, meine Mutter hatte irgendeinen Fraaß aus der Dose, bevorzugt "Spaghetti in Tomatensoße". Grausamer Mist, total überwürzt. War doch Mitte der 1970er in. *grusel* Wir Kinder wurden aber überrascht. Zum Mittag gab es eine Novität. Eine Tasse Kakao für uns und jeweils ein Butterhörnchen. Das hat meine Mutter einfach still und leise vor uns abgelegt, natürlich im Blickfeld meiner Oma. Ich weiß noch wie heute, wie meine Oma mich fixiert hat.

Und was macht ein Kind mit einem Hörnchen aus Blätterteig und der Tasse Kakao daneben? Richtig! Das Kind taucht das Hörnchen ein und lutscht das Aufgeweichte ab. Ist ja nix dabei, ist nur nicht schön anzusehen. Meine Oma jedenfalls hatte nur große Augen bekommen und war in Richtung Bad geflüchtet. Dort waren dann verdächtige Geräusche zu hören. Würgegeräusche mit anschließendem Plätschern. Als meine Oma wieder aus dem Bad kam, hat sie wortlos ihre Sachen genommen und ist nach Hause gefahren. Mit dem Bus, das war neu. Denn ansonsten war der Taxiservice meiner Mutter gerade gut genug.

Jahre später habe ich dann erst erfahren, dass meine Oma einen absoluten Ekel vor allen Speisen hatte, die in irgendwas eingetaucht wurden. Schuld war wohl die lange Speisungszeit im und nach dem Krieg, als man harte Lebensmittel so wieder essbar machte. So wurden wir Kinder zu Handlangern im Kleinkrieg zwischen Mutter und Tochter. Und wir waren effektiv. Vielleicht hatte auch der Fasan im Bad, welcher zum "Reifen" und zum Rupfen dort aufgehäng war, sein Scherflein beigetragen. Oder er hing da in Absicht, denn früh war der noch in der Vorratskammer untergebracht. Fast würde ich meiner Mutter so viel Planung nicht zutrauen. Die Sache mit dem Fasan, das ist wieder eine andere Geschichte. Da hat sich dann jemand anderes übergeben. Vielleich erzähle ich später mal von der Küchenarbeit meiner Mutter.

Kommentare

  1. Butterhörnchen und Kakao? ;-) Guten Appetit, egal, was Du herstellst!

    AntwortenLöschen
  2. Also, lieber DSL, Deine Randbemerkungen zur restlichen Lebenszeit, die in letzter Zeit immer wieder auftauchen, machen mir ein bisschen Angst. Ich hoffe, da steckt viel Ironie dahinter.

    Ja, die Alten. Ich wundere mich auch immer noch über sehr ähnliche Geschichten in unserer Familie, immer die gleiche, diktatur- und kriegsgeschädigte Generation. Das erklärt so manches, aber kann es das auch entschuldigen?

    Wenn ich mich heute so umsehe, würde ich meiner Mutter, zwar höflich, aber bestimmt, etwas husten, wenn sie sich so benehmen würde. Und unsere Kinder erst? Hach, die würden uns, glaube ich, auf den Mond pusten, ohne Rückfahrkarte und noch nicht mal hinterherwinken.

    Schon etwas respektlos, oder? Manchmal denke ich mir: Die gute alte Zeit! ;-)

    AntwortenLöschen
  3. @ Blogspargel: Na, wer macht den sowas? ;-)

    Tja, die Alten. Meine Oma war ja 1910er-Jahrgang, hat also beide Weltkriege mitgemacht. Was weiß ich über sie und ihre (also auch meine) Vorfahren? Nichts. Das Thema wurde totgeschwiegen. Es existiert nur ein Bild von ihr, aus Berlin in den 1930ern. Da sitzt sie in ihrem Boot, dem "Carpe diem". Sie war wohl Sportruderin, sehr schlank und scheinbar ein Männerschwarm.

    Sie hat immer Moral eingefordert, Anstand und Respekt ihr gegenüber. Später dann, durch Zufall, hat man erfahren, dass sie ein zweites Mal verheiratet war (Huch!), aber auch nur, weil die entsprechende Seite aus dem Stammbuch entfernt wurde und auf dem Amt nachgesehen werden konnte. Sonst hätte das nie jemand erfahren.

    Auch dass mein Opa wohl ein aktiver Nazi war wurde verschwiegen, wir wissen bis heute nicht, wie tief er im Sumpf war. Die Flucht in ein anderes Bundesland (hierher nach Bayern) lässt uns vermuten. Und er hat einen hohen Posten in der Nachkriegs-FDP bekleidet. Zu seinem Tod kam gar ein Telegramm vom damaligen Parteivorsitzenden.

    Meine Oma war es scheinbar von klein an gewohnt, von Personal umsorgt gewesen zu sein. Wie die Umstände dazu waren? Es weiß keiner, da gab es keine Antworten auf Fragen. Auch die Nachforschung - im Sand verlaufen.

    Je länger es her ist, umso egaler wird es mir. Aber gerade in der WKII-Generation (also die Aktiven!) herrscht eine Kultur des Totschweigens. Schade, denn auch wir Jüngeren haben sicher das eine oder andere Quentchen an Verständnis. Wenn man es uns erklärt hätte.

    Und der Zwinkerer hinter der "guten alten Zeit" bei Deinem Kommentar, der ist durchaus berechtigt.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ragout Fin - der Convenience-Test

Mitte der 70er Jahre im 20. Jahrhundert war es ein Edel-Essen auf jeder besseren Party; Ragout Fin . Ich kann mich noch daran erinnern, wie meine Mutter diese -damals noch recht teuren- Blätterteigförmchen gekauft hat. Und drei Tage vorher wurde uns das Maul schon wässrig gemacht. Zumindest haben mich diese Teilchen auf Anhieb überzeugt. Eigentlich mehr der Inhalt, den ich auch Heute noch gerne esse. Zeit, einen Test zu veranstalten, nachdem in der letzten Zeit immer mehr dieser Convenience-Produkte auf den Markt kommen. Im Test befinden sich Aufwärm-Produkte von verschiedenen Discountern, teils auch Aktionsware wie das Produkt der Marke Sodergarden, hergestellt von Tulip . Zwar sind diese nicht immer zu bekommen, einen Geschmackstest kann man ja trotzdem machen. Natürlich völlig uneigennützig... Erwärmt werden die Produkte jeweils auf 60° Celsius, um eine Basis für die Vergleiche zu haben. Gemessen werden die Temperaturen mit einem Digitalthermometer, um eine Überhitzung und somit

Glaubenskrieg an der Bratwurstbude

Semmel, unbeschnitten Evangelisch oder katholisch? Für Coburger ist das wichtig. Ihr wollt uns Coburgern unsere Wurst verändern? Niemals! Nehmt unsere Veste, schändet alle unsere Jungfern . Egal, um Mitternacht machen wir den Deal - aber lasst unsere Wurst in Ruhe. Coburger Saftschinken? Gibt es nicht mehr. Bier aus Coburger Brauereien ? Verkauf an einen Konzern in Kulmbach. Aber was sich nun abspielt, das erschüttert die Coburger. Zur Erklärung: Semmeln (halbe Doppelbrötchen) werden in Franken entweder "evangelisch" oder "katholisch" aufgeschnitten. Was bedeutet: "evangelisch" ist ein Längsschnitt auf der Oberseite, "katholisch" ein Schnitt an der Längsseite. Und eine Bratwurst wird in Coburg IMMER unversehrt an den Kunden gegeben. Da wird nichts abgeschnitten, gedrückt oder gar zerlegt wie eine Currywurst. korrekte, einzig mögliche und denkbare Schnittlinie senkrecht nicht denkbare waagerechte Schnittlinie, für alle andere

90 Minuten Ruhe und Entspannung

Bild: Eingangsbereich zum Bad in Bad Staffelstein Piscina. Ich war überrascht, dass ich zu meinem Geburtstag einen Gutschein für einen Aufenthalt im Piscin a bekommen habe. Mir war der Begriff bis dato nur als kirchlicher bekannt, bezeichnend für das Handwaschbecken in Kirchen. Einfach zu Reinigung. Bild: Die Piscina Und die Assoziation war nicht einmal so falsch. In oben genannten Gutschein-Fall ist Piscina etwas erweitert zu sehen, und zwar als Becken, in welches man Wasser füllt - und eben wieder ablässt. Dieses Piscina befindet sich in dem der Klinik Bad Staffelstein angeschlossenen Bad. Unseres, wir hatten das mit der Nummer eins, wird durch eine Art Schleuse betreten, die gleichzeitig auch als Umkleideraum fungiert. Da diese nur durch einen einfachen Fallriegen zu verschließen ist, empfehlen wir, Wertsachen im Auto zu belassen. Die Piscina selbst ist komplett gefliest, helle, freundliche Farben, zwei Schalen mit Kerzen sorgen für eine gewisse Grundstimmung, eine eigene Dusche sow