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E5, E10, E egal?

Hurra, wir schützen beim Autofahren jetzt die Umwelt. Zumindest unsere, die in Weitwegistan nicht so sehr. Egal, der Heilige Christophorus ist ja der Schutzpatron der Autofahrer, der wird schon dafür sorgen, dass alles glatt geht.

Seit Jahren fahren wir Deutsche in unseren Autos einen Sprit, dem 5 % Bioethanol zugesetzt wurden. Nun sagt aber die EU, dass das zu wenig ist, der Wald noch nicht genug genesen, der Autofahrer noch nicht genug gebeutelt, der Staat mit Steuern unterversorgt und die Konzerne zu arm sind. Logisch, wir Autofahrer helfen doch gerne an allen Fronten.

Nun ist der neue Sprit an den Zapfsäulen zu haben. 10 % Ethanol ist die Devise, weniger sollte es - bitteschön - nicht sein. Die Bezeichnung lautet E10. Auch zu erkennen an dem Preis, den sich früher Normalbenzin und Superbenzin geteilt haben. Normal gibt es oft nicht mehr, an dessen Platz ist E10 getreten. Super kostet dafür so viel wie vorher der hochoktanigere Superplus-Sprit. Begründet wird das mit den gestiegenen Logistikkosten für E10 und Super. Alles klar. Normal fällt weg, dafür wird der Transport für den neuen Sprit teurer.

Der Deutsche Automichel hat nun zwei Möglichkeiten: weiterhin den leckeren Super-Sprit tanken und dem Staat und den Konzernen einen erhöhten Betrag in den Rachen werfen. Dafür wird dann weniger Urwald gerodet, auf dem der Grundstoff für Ethanol; Zuckerrohr, angebaut wird. Da können die armen Bauern vor Ort etwas aufatmen, sie verhungern nun etwas später, weil das Essen durch die ausgefallene Umnutzung auf mehr Fläche angebaut werden kann.

Möglichkeit zwei wäre, künftig E10 zu fahren, die somit weiter beschleunigte Zerstörung von Regenwald und Leben in den Gebieten zu forcieren. Dafür sparen wir ein paar Cent, die wir aber mit einem etwas erhöhten Verbrauch gegenüber E5 erkaufen.

Erst kürzlich war ein Bericht auf einem der Spartenkanäle zu sehen, in dem über eine Familie in Südamerika berichtet wurde. Zu sehen war ein verzweifelter Vater, der keine Arbeit findet, der eine Frau hat und zwei Kinder. Und an manchen Tagen bekommen die Kinder Steine zum Lutschen(!) um den Hunger zu stillen. Und auch die Familie hat die Qual der Wahl wie der deutsche Autofahrer. Allerdings wesentlich grundsätzlichere. Der Vater muss sich täglich entscheide, ob er die Milch der geliehenen Ziege für die Familie verwendet oder das Tier schlachtet, abzahlt und mal wieder was zu essen hat.

Warum es dem Bauern so schlecht geht? Ganz einfach, die Konzerne überbieten die Pachtpreise für Ackerland, mit der Ethanolerzeugung ist mehr Geld zu verdienen als mit der Lebensmittelerzeugung für arme Bauerfamilien. Zudem ist die Ernte einfacher, große Felder können mit Maschinen bearbeitet werden, was die Bevölkerung vor Ort überflüssig für die Ernte macht. So richten die Deutschen mit ihrem Sinn für Umweltschutz und blindem Gehorsam gegenüber der Umsetzungsrichtline der EU auch in Südamerika kleine Familien zugrunde. Hurra, Hauptsache, wir fahren grüner als zuvor.
 
Der ADAC hat nun angekündigt, gegen die Konzerne stehen zu wollen. Leider kam die Ankündigung dazu an dem Tag, als der Sprit schon an den Zapfsäulen angekommen war. Und ich wage einmal die Aussage, dass den Ölkonzernen der Ausgleich der Verluste durch die Ölpest vor Amerika wichtiger ist als die Meinung eines Papiertigers.

Bleibt die Hoffnung auf den Staat. Dumm nur, dass da auch wenig Interesse an billigeren Sprit besteht, wird die Steuer doch nicht pauschal berechnet sondern prozentual. Je höher der Preis an der Tanke, desto Kling die Kasse.

Bliebe noch eine Hoffnung, die wir auf die Hersteller der Fahrzeuge legen können. Möööp! Falsch! Denn gut 10 % der in Deutschland derzeit zugelassenen Fahrzeuge vertragen keinen E10-Sprit. Was aber längst nicht jeder weiß. Dummerweise auch nicht die Tankstellenleutchen. Was zu verzeihen ist, denn teilweise liegt die E10-Freigabe im Detail, also an der 10. Stelle in der Motornummer. Oder an der Baureihe des Motors. Blöd nur, wenn mehrmals im Jahr gewechselt wurde, sodass mehrere Motorbauweisen vorliegen.

Während also die familieneigenen Dreibuchstabler aus München klaglos E10 vertragen, konnte der Händler des ebenfalls betriebenen Spaniers keine klare Aussage treffen. Tenor: kannste machen, aber auf eigene Gefahr. Er rät somit vorerst zur Betankung mit dem althergebrachten Sprit. Was mich wiederum verwirrt, denn die größtenteils baugleichen Aggregate aus dem VW-Konzern des gleichen Baujahres und der gleichen Ausbaustufe haben die Freigabe. Die Hersteller werden also nur lau protestieren, sind doch für die Werkstätten Reparaturen in Aussicht und für die Hersteller der Vertrieb von Ersatzteilen. Wobei es wohl nicht bei Ersatzteilen bleiben wird, sondern beim Austausch der Motoren in einer Dimension von mehreren Tausend Euro.

So gesehen gibt es viele Gewinnler und nur zwei Verlierer: den Bauern im Dschungel und den Autofahrer in Deutschland. Heile Welt. Hier der Link zur Liste der Värtäglichkeiten.

Kommentare

  1. Also, Danke für diesen Klasse Artikel, der einem richtig die Augen öffnet.
    Was bleibt, ist wohl, der Mineralölindustrie ein paar Cent mehr pro Liter in den Rachen zu stopfen.

    Das mit den Freigaben der Motoren ist natürlich auch so eine Sache. Denn wer kann denn im Zweifelsfall nachweisen, dass der Motor dank des neuen Sprits gelitten hat, für den er eigentlich freigegeben war ...

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